Annemarie von Auerswald

Die Tochter vom Gerwartshof

Berlin : Junge-Generation-Verl., [1940]

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Inhalt

Edelberga, die Tochter des Bauern Gerwart, erlebt, wie Besuch auf den Hof kommt. Der Anführer der Gäste, ein vornehmer Mann mit Helm und Brünne, sieht sie lange an und kann auch später beim Gastmahl den Blick nicht von ihr wenden. Edelberga empfindet sein Verhalten als schamlos, schweigt aber.

Einige Zeit später eröffnet ihr ihre Mutter, daß der Fremde, ein Fürst seines Volkes, um Edelbergas Hand angehalten hat, und Gerwart hat sie bereits versprochen. Edelberga weigert sich aufgrund seines Verhaltens beim Besuch, die Frau des Fremden zu werden, auch wenn ihr Vater ihr klarzumachen versucht, daß mit der Heirat ein wichtiges Bündnis für zu erwartende Kämpfe geschlossen würde. Edelbergas Bruder Hagvalt, den sie um Rat fragt, kann ihr auch nicht helfen.

Das Mädchen beschließt, ihre kürzlich verheiratete Jugendgespielin Ingrun zu besuchen. Hagvalt bringt sie ein Stück des Weges und erzählt, daß Ingruns Bruder Hartmut trotz seines jugendlichen Alters als Führer einer Kriegerschar aus dem Süden zurückgekommen sein soll. Als Edelberga ihrer Freundin ihr Leid klagt, hört dies Hartmuts junger Bruder Herglanz, der sich gerade seinen ersten Bogen gebaut hat, und berichtet es seinem Bruder. Hartmut bietet Edelberga Schutz an und bittet sie, seine Frau zu werden; das Bündnis mit dem fremden Volk ist überflüssig, weil seine Krieger zurückgekommen sind. Edelberga kann so ihrer Heimat treu bleiben.

Bewertung

Die kurze Erzählung ist geprägt von der völkischen Blut-und-Boden-Ideologie ihrer nationalsozialistischen Entstehungszeit, die wenig mit tatsächlichem germanischem Leben zu tun hat. In einer der Kernstellen erzählt Gerwart, wie die Germanen aus Landnot ("Volk ohne Raum"!) ihre Siedlungsgebiete erobert haben: "Wenn wir leben wollten, so mußten wir unsere Grenzen erweitern. Aber das Land um uns her war nicht leer ... Wir ... mußten uns den neuen Boden Schritt um Schritt erkämpfen. Blut der Besten tränkte das Land. Aber wir waren die Stärkeren, wir errangen den Sieg" (27-28). Später sprechen Edelberga und Hagvalt über das Prinzip der Rassereinheit (34-35). Wenn Edelberga zum Schluß einwilligt, Hartmuts Frau zu werden, tut sie das nicht, weil sie sich in den jungen Helden verliebt hat, sondern weil er ihr die Heimat garantiert.

Die Ehre einer Germanin und ihre Sorge um Reinerhaltung des Blutes sind so das höchste Ideal, das einer Leserin dieses Werks vermittelt werden sollte. Es erschien in der Reihe "Trommlerbuch", deren Signet offensichtlich einen Spielschar-Hitlerjungen zeigt. Die Buchkarte eines ehemaligen Exemplars der Volksbücherei Köln trägt die Annotation "Anschaul. Darstellung altgerman. Lebens zur Zeit der Völkerwanderung. Für Mädchen geeignet" und bezeichnet das Buch als "Auswahl", was wegen seines regimetragenden Charakters nicht verwundert.

Die Erwähnung von Hartmuts Kriegszug, der im Süden durch Böhmen bis zum Meer geführt hat, ist das einzige Indiz, das eine gewisse zeitliche und räumliche Verortung ermöglicht. Völkernamen werden nicht genannt, auch nicht bei dem fremden Fürsten, der Edelberga heiraten will.