Gisbert Haefs

Hamilkars Garten : Roman

München : Heyne, 1999
Neuausgabe unter dem Titel: Das Gold von Karthago.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Einige Jahre nach seinem voluminösen Roman über Karthago, der den Namen Hannibals im Titel führt, aber mehr sein will als nur eine Biographie des bekannten Feldherrn (siehe separate Besprechung) hat Haefs im selben Milieu auch einen Kriminalroman angesiedelt. Trotz einiger Kritikpunkte am Hannibal-Roman läßt diese Konstellation auf den ersten wirklich gelungenen Antikenkrimi eines deutschen Autoren hoffen, da Haefs sich mit seinen in unserer Zeit spielenden Kriminalromanen einen Namen gemacht hat, und tatsächlich übertrifft er deutlich seine Vorgänger in diesem Genre, etwa H. D. Stöver, Bernhard Hennen oder Cay Rademacher, zumindest in den Augen dieses Rezensenten auch seinen eigenen Hannibal, auf den im Folgenden öfter Bezug genommen wird.

So findet sich hier das im älteren Buch vermißte differenziertere Rombild. Blieben die Römer im Hannibal-Roman durchweg sehr blaß, darf Laetilius in einiger Ausführlichkeit die römische Gegenposition zu Haefs' nach wie vor sehr ideal gezeichneten Karthago vertreten. Er gehört auch, wie die eigentliche Hauptfigur Bomilkar und einige andere, zu den Charakteren, die eine eigene Persönlichkeit bekommen. Freilich läßt Haefs selbst ihn die geradezu übermenschlichen Qualitäten Hannibals bestätigen (S. 232).

Haefs zeichnet auch hier Karthago als positives Modell, eine "multikulturelle Gesellschaft" im besten Sinne des Wortes, was schon durch die bunte ethnische Herkunft der Personen deutlich wird, die in Karthago im großen und ganzen harmonisch miteinander leben. Spannungen gibt es vor allem durch die politischen Intrigen der führenden Karthager, wobei die Barkiden einen eher demokratischen Anspruch haben, Hannos "Alte" dagegen ihre Partikularinteressen vertreten. Der Althistoriker kann, wie schon im Fall des Hannibal, nur darauf hinweisen, daß fast alles in diesem Bild auf Vermutungen beruht, da unsere Quellenlage zur karthagischen Innenpolitik jämmerlich schlecht ist.

Bei allen modernen Zügen, die er seinem Karthago verleiht, spielt Haefs auch ein wenig mit seiner Fremdartigkeit, so bei den zahlreichen, teilweise ähnlichen oder gar identischen Namen, die manchen Leser vielleicht nach einem Personenverzeichnis rufen lassen (eine Karte wäre auf jeden Fall sinnvoll gewesen). Es gibt einige kulturhistorische Einschübe, besonders in den ersten Kapiteln und während der Reise durch Spanien; auch die langen Listen des Hannibal-Romans fehlen nicht (z. B. Aufzählung von Speisen), wenn auch nicht so exzessiv wie im früheren Buch.

Als Krimi ist der Roman etwas verwickelt, nicht zuletzt durch die schon erwähnten Namen, aber zum Schluß doch durchschaubar; wie anfangs bereits gesagt, liegt das Werk auf deutlich höherem Niveau als frühere deutsche Versuche in diesem Genre. Bis zum 11. Kapitel weiß der Leser alles, was auch Bomilkar erfährt; dann gibt es ein Gespräch mit Hannibal, dessen Inhalt erst später offenbar wird. Etwas unklar ist mir geblieben, warum Lavinius von Hamilkar überhaupt den ausgemusterten Stempel erhalten hat, obwohl die Gefahr des Mißbrauchs (und sei es durch Rom selbst) auf der Hand lag. Lavinius und die Hintergründe für seine Reise durch den karthagischen Herrschaftsbereich bleiben überhaupt etwas blaß, es sei denn, ich hätte bei Haefs' zahlreichen Andeutungen etwas übersehen. Es gibt auch ein paar moderne Anspielungen, so eine Paraphrase der aus indischen Kolonialzeiten stammenden Wendung "mad dogs and Englishmen go out in the midday sun" (S. 183). Ein kleiner Punkt zum Schluß: Ist Laetilius nun der älteste Bruder seiner Familie (S. 20) oder nicht (S. 23)?

Weitere Meinungen und Informationen

ekz-Informationsdienst:

„Eine intelligent verschachtelte Crime-Story und ein lebendiges Historienbild in einem. Breite Empfehlung.“

Annette Gloser, Histo-Couch.de:

„[…] bietet nicht nur Spannung, sondern auch viele gut recherchierte Fakten und lebensvolle Protagonisten. […] Dieses Buch empfiehlt man gerne weiter. Es garantiert angenehme Lesestunden.“

Inhalt

1. Der junge Römer Titus Laetilius trifft in Karthago ein, wo man seinen Landsmann, den Händler Marcus Lavinius, ermordet hat. Er läßt die Leiche nach Italien bringen und bleibt in Karthago, um dem Mordfall nachzuspüren, zusammen mit dem karthagischen Polizeichef Bomilkar, der insgeheim auch für den Nachrichtendienst des Feldherrn Hamilkar arbeitet.

2. Der Arzt Artemidorus schildert Bomilkar und dem erstaunten Laetilius, was er bei der Obduktion der Leiche des Lavinius festgestellt hat: der Ermordete hat kurz vor seinem Tod an einem Festmahl teilgenommen. Die beiden Ermittler machen sich auf den Weg zum Landgut Hamilkars, wo man die Leiche gefunden hat (der Tatort war allerdings woanders). Gegenseitig mißtrauisch nach dem noch nicht lange zurückliegenden römisch-karthagischen Krieg, müssen sie sich erst einmal abtasten. Ein Bote des Politikers Arish (ein Gegenspieler Hamilkars) soll Bomilkar von seinen Ermittlungen abbringen, weil der Mörder angeblich gefaßt wurde, doch Bomilkar und Laetilius begeben sich weiter zum Landgut, wo es einen weiteren Toten gibt: der Arbeiter, der Lavinius' Leiche gefunden hat, ist ermordet worden.

3. Auf dem Landgut befindet sich außer dem Verwalter Nederbal auch der ebenfalls für Hamilkar arbeitende Daniel, der vom Feldherrn beauftragt wurde, sich um den Mord zu kümmern. Die Ermittlungen auf dem Gut bringen aber wenig Erkenntnisse, bis im Garten ein verstecktes Geldsäckchen gefunden wird.

4. Es war offensichtlich der Besitz des ermordeten Arbeiters (Schweigegeld?). Wieder zurück in Karthago, zeigt Bomilkar dem Römer die mächtigen Befestigungen der Stadt und erzählt ihm von den politischen Auseinandersetzungen der "Alten" (um Hanno und Arish) und der "Neuen" (angeführt von Hamilkar). Arish versucht in einem kurzen Gespräch, Bomilkar und Laetilius von ihren Ermittlungen abzubringen, doch die beiden sind nun erst recht mißtrauisch geworden, zumal es weitere Anzeichen für undurchsichtige Hintergründe gibt, wie sich auf einem Fest am Abend herausstellt. Als Bomilkar mit seiner Geliebten Aspasia nach Hause geht, findet er auf ihrer Schwelle zwei als Warnung getötete Kaninchen.

5. Am nächsten Tag suchen Bomilkar und Laetilius den Bankier Antigonos, einen Vertrauten Hamilkars, auf, wo sie auch Daniel treffen. Antigonos' rechte Hand Bostar erklärt Laetilius die Geschäfte einer Bank. Wie am vorigen Abend verabredet, lassen sich Daniel, Bomilkar und Laetilius zu dem Unterweltsboß Gulussa bringen, der befürchtet, in die Morde verwickelt zu werden; Arish hat versucht, einem seiner Leute den Mord an Lavinius anzuhängen. Gulussa verspricht, bei den Ermittlungen zu helfen, wenn sein Mann befreit wird. Qarthalo, ein barkidischer Politiker, will aber, daß Bomilkar und Laetilius ihre Suche aufgeben, doch die beiden weigern sich.

6. Sie suchen den Richter Budun auf, der als einziger offiziell ermächtigt wäre, die Ermittlungen einzustellen, dies aus Achtung vor dem Gesetz aber nicht tut. Jemand schickt Bomilkar eine giftige Viper und ein abgeschnittenes Ohr. Abends gehen Bomilkar und Laetilius mit Aspasia und ihrer Freundin Tazirat (mit der sich Laetilius angefreundet hat) in einem Lokal essen, in dem vielleicht Lavinius umgebracht worden ist. Hanno (oder jemand, der seinen Namen gebraucht) läßt Bomilkar einen Beutel Geld als Belohnung für die Einstellung der Ermittlungen überbringen. Hanno ist selbst in der Schenke, streitet aber ab. In der Nacht wird vor Aspasias Wohnung wieder ein totes Kaninchen deponiert. Vormittags versucht Bomilkar, sich von Arish den angeblichen Mörder Zirdan ausliefern zu lassen, doch dieser ist verschwunden. Die Ermittlungen in weiteren Schenken führen zu keinen neuen Erkenntnissen, nur zu einem weiteren Drohbrief.

7. Tazirat und Aspasia sind verschwunden, offenbar entführt. Bomilkar, Daniel und Laetilius dringen nachts mit einigen Männern in das Viertel ein, wo sie Gulussa getroffen haben. Sie stoßen auf Kampfspuren und einige unbekannte Männer, die entkommen können, doch Gulussa ist verschwunden. Am nächsten Tag kundschaften sie einen geheimen Gang von Gulussas Wohnung aus. Bomilkar bekommt noch einmal den amtlichen Auftrag, die Ermittlungen einzustellen, nachdem der Richter Budun sterbenskrank (vergiftet?) abgelöst wurde. Außerdem überbringt Qadhir, ein Mann Gulussas, eine Nachricht: Bomilkar und Laetilius sollen die Stadt verlassen und nach Igilgili reisen; dann werden die Frauen und Gulussa freigelassen.

8. Abends treffen sich Bomilkar und Laetilius in einer Taverne mit Antigonos. Daniel kommt etwas später, zusammen mit Qadhir, der wieder unfreiwilliger Bote der Entführer ist, zusammen mit der Leiche Zirdans, dessen Ohr Bomilkar schon früher erhalten hat. Qadhir kann über die geheimnisvollen Gegner keine weiterführenden Angaben machen. Er begleitet Bomilkar und Laetilius, als sie wie befohlen sofort die Stadt verlassen und sich vorerst zum Gut Hamilkars begeben. Dort treffen sie Nederbal, der sich gerade mit einem Besucher über Geldgeschäfte unterhält. Antigonos wollte eigentlich am nächsten Tag nachkommen, schickt aber nur einen Brief mit der Angabe, daß er sich um wichtige Geschäfte in Sikka kümmern muß.

9. Bomilkar, Laetilius und Qadhir reisen nach Iberien, wo sie in Qart Iuba Hamilkars Schwiegersohn und Stellvertreter Hasdrubal aufsuchen sowie einen Mann, der Lavinius auf seiner Reise durch Iberien vor seinem verhängnisvollen Besuch in Karthago begegnet ist.

10. Sie reisen zu Hamilkar nach Kastulo weiter. Im Gasthaus des Kleomenes kehren sie ein, wie früher schon Lavinius. Kleomenes' Tochter Rushan teilt mit Bomilkar das Bett und berichtet, daß Lavinius einen (fehlerhaften) Prägestock für Münzen hatte, den ihm Hamilkar überlassen hatte. Hamilkar empfängt seinen ehemaligen Offizier Bomilkar zu einem kurzen Gespräch; Laetilius darf das Hauptquartier nur mit verbundenen Augen betreten und sieht so nicht ein Probeexemplar der neuen Münzen, die Hamilkar ausgeben will, noch mit dem fehlerhaften Stempel geprägt. Hamilkar spricht noch einmal mit Bomilkar allein; er überlegt auf Vorschlag Hasdrubals, die Ausgabe der Münzen zu verschieben. Die Besucher aus Karthago sollen mit Rushan (die für Hasdrubal arbeitet) und einer Schar Reiter unter Befehl von Hamilkars jungem Sohn Hannibal gegen aufständische Iberer vorgehen, die Geiseln in ihre Gewalt gebracht haben, und dann nach Libyen zurückkehren.

11. Unter Führung Hannibals werden die Iberer überwältigt, die Überlebenden von den Karthagern in ihre Streitkräfte eingegliedert. Laetilius hat tapfer mitgekämpft, aber Bomilkar hat ihn im Verdacht, während des Gefechts Qadhir umgebracht zu haben. Sie reiten nach Malaka und setzen nach Igilgili über. Hannibal reitet mit seinen Leuten nach Sikka zum Landgut Hiyarbals, eines Angehörigen der "Alten", wo eine Ansammlung von Bewaffneten gemeldet wurde. Bomilkar erfährt aus einem Schreiben von Antigonos, daß die entführten Frauen gerettet sind und er nach Karthago zurückkehren soll. Hannibal verjagt in Sikka die Söldner Hiyarbals und stellt eine große Menge Münzen sicher, darunter auch neugeprägte gefälschte nach dem Stempel, den Lavinius bei sich hatte.

12. Einige Nachrichten, die auf Bomilkar bei seiner Rückkehr warten, passen zu dem Bild, das sich ihm allmählich enthüllt. Von Aspasia erfährt er, daß Laetilius hinter der Entführung der beiden Frauen steckt. Fünf Männer lauern Bomilkar auf, und er wird verwundet, doch einer seiner Wächter und Laetilius können ihn retten. Bomilkar läßt alle Beteiligten an den Vorgängen in einer Schenke zusammenkommen und rekapituliert vor ihnen die Ereignisse sowie seine Schlußfolgerungen: Hiyarbal hat von Antigonos' Sandbank große Summen Geldes aufgenommen, um damit die Prägung der gefälschten Hamilkar-Münzen zu finanzieren, mit denen er seine Schulden zurückzahlen wollte; die Verschiebung der Münzausgabe und die Aktion Hannibals hat aber diesen Plan, der die Partei der Neuen schwer geschädigt hätte, durchkreuzt. Der wieder genesene Richter Budun läßt Hiyarbal festnehmen und erklärt die Untersuchung damit für beendet. Bomilkar ist nicht einverstanden, muß aber mit ansehen, wie sein Hauptbelastungszeuge, Hamilkar, der Schreiber Arishs, von einem Leibwächter Hannos getötet wird.

13. In der sich leerenden Schenke sinnt Bomilkar über den unbefriedigenden Ausgang der Ereignisse nach. Er erfährt, daß von dort die Speisen geliefert wurden, die Lavinius vor seinem Tod zu sich nahm. Hamilkar (der Schreiber) hatte den Mord organisiert, nachdem er Lavinius bei seinem Freund Nederbal kennengelernt hatte. Der Überfall auf Gulussa war nur inszeniert; der todkranke Unterweltsboß hat seinem von Hiyarbal unterstützten Nebenbuhler Boshmun seine Geschäfte überlassen.

Daniel ist von Boshmun entführt worden, der bei der Affäre viel Geld verloren hat. Bomilkar wagt sich zu ihm und tötet ihn. Dann sucht er Hamilkars Landgut auf, wo er Nederbal erhängt auffindet, der sich mit dem Besitz seines Herrn an der Falschgeld-Verschwörung beteiligt hat. Laetilius verläßt Karthago und versucht Bomilkar zu erklären, daß er die Frauen nur entführt hat, um sie zu schützen. Bomilkar vermutet, daß der Schreiber Hamilkar Beweise in seinem Garten aufbewahrt hat, doch kommt er zu spät; alles ist vernichtet – im Auftrag Hannos.

14. Bomilkar sucht Hanno auf, von dem er jetzt weiß, daß er hinter allem stand; er kann es aber nicht beweisen und muß sich damit zufriedengeben, Hanno mit seiner Rekonstruktion zu konfrontieren und den ominösen Geldbeutel zurückzuweisen, um bei einer möglichen späteren Auseinandersetzung nicht erpreßbar zu sein.

Erste Veröffentlichung: Februar 2007?.
8. August 2015: Literatur ergänzt, Reihenfolge umgestellt.