Bernhard Hennen

Der Tempelmord : ein Kriminalroman aus der Zeit Kleopatras

Düsseldorf : Econ, 1996

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

1. Der Arzt Philippos und die Isispriesterin Samu befinden sich im Gefolge des exilierten ägyptischen Königs Ptolemaios, der im Artemisheiligtum von Ephesos darauf wartet, daß die Römer ihm die Rückkehr nach Ägypten ermöglichen, wo derzeit seine Tochter Berenike herrscht. Bei einer Prozession zu Ehren der Artemis bricht der Mundschenk des Königs, Buphagos, tot zusammen. Die Ursache des Todes ist mysteriös; Philippos und Samu sollen sie möglichst schnell aufklären, um den möglichen Zorn der Ephesier über die Störung der Prozession abzuwenden.

2. Am nächsten Morgen wird Samu von der Prinzessin Kleopatra geweckt, der sie sich angenommen hat. Die Leiche des Buphagos wird enthauptet aufgefunden, anscheinend von der einem Relief entstiegenen Gestalt des Thanatos gerichtet. Philippos durchsucht das Zimmer des Toten, findet aber im Wesentlichen nur Schriftrollen und Schminke, die bei den Ägyptern auch von Männern verwendet wird. Auch die Hetäre Thais, die aktuelle Favoritin des Königs, erscheint. Unklar ist, welche Rolle der Hofeunuch Pothinos gespielt hat.

3. Philippos schleicht sich nachts verbotenerweise in die Stadt Ephesos zur Hetäre Neaira. Samu wird vom Leibwächter Batis geweckt, der gesteht, daß er Buphagos enthauptet, aber den Kopf behalten hat. Samu hilft ihm dabei, Körper und Haupt des Mundschenks zu verbrennen, bevor die Ephesier hinter die Vorgänge kommen.

4. Philippos wird nach seiner Rückkehr zusammen mit Samu zum König gerufen: dort liegt Thais (im Gewand einer Artemispriesterin!) im Sterben, mit ähnlichen Symptomen wie Buphagos. Die beiden sollen die Umstände ihres Todes verschleiern und täuschen einen Selbstmord vor.

5. Samu hat beim Aufwachen eine seltsame Vision von sieben Katzen. Der Eirenarch von Ephesos interessiert sich für den Todesfall, kann aber abgewimmelt werden.

6. Philippos läßt sich von Batis bei einem Liebesbrief an Neaira helfen. Als Schreibstoff will er einen offenbar unwichtigen Papyros verwenden, den er aus dem Besitz des Buphagos hat, doch Batis erkennt, daß es sich um eine aktuelle Liste von Geschenken an den König handelt, und bringt sie zu Pothinos. Der vermutet, daß Buphagos die Geschenke unterschlagen wollte.

Als eine Katze vergiftet stirbt, erkennt Samu, wie die Toten umgekommen sind, und eilt zu Kleopatra, um sie zu retten: die von Buphagos und später Thais verwendete Schminke ist vergiftet, aber Kleopatra war nicht in Gefahr, weil sie andere Schminke genommen hat. Ziel des Anschlags war offenbar Ptolemaios selbst, für den die Schminke eigentlich bestimmt war.

7. Philippos macht dem unter Verstopfung leidenden König einen Einlauf. Samu soll auf seinen Vorschlag nach Tyros reisen, von wo die von Buphagos unterschlagenen Geschenken gekommen sein sollen. Sie gibt vorher noch Kleopatra, die sich in einen Offizier verliebt hat, Ratschläge in Liebesdingen.

Philippos besucht wieder heimlich Neaira und wird bei ihr von der Wache aufgespürt. Er versucht zu entkommen, wird aber ergriffen.

8. Philippos kommt an Bord eines Schiffes wieder zu sich, das ihn zusammen mit Samu nach Tyros bringt; wegen seiner Eskapade wurde er vom Hof des Ptolemaios verbannt.

9. In Tyros gehen Samu und Philippos zu Simon dem Judäer, der heimlich für Ptolemaios tätig ist. Er erweist sich aber nicht unbedingt als kooperativ; sollen die beiden beseitigt werden?

10. Samu hat sich nicht bei Simon einquartiert, der sie als Frau für minderwertig hält, und bringt Melkart ein Opfer dar.

11. Philippos soll sich als Schwammtaucher tarnen, doch nach der ersten Ausfahrt und einem Tauchgang, bei dem er fast ertrunken wäre, läßt er es wieder bleiben. Aber als Abimilku, der Kapitän des Boots, von einem Fisch verletzt wird, kann er ihn behandeln.

Samu wird im Hafen vom Tyrer Elagabal angesprochen.

12. Philippos spricht im Tempel des Eshmun, wohin er Abimilku gebracht hat, mit dem Hohepriester Chelbes, der ihn als Arzt erkannt hat.

Samu ist zu einem Gastmahl bei Elagabal eingeladen; die anderen Gäste sind Archelaos von Comana, der Kaufmann Iubal, der Kapitän Oiagros (der vor kurzem in Ephesos war!) und der greise Melkart-Priester Azemilkos. Die Tyrer unterstützen Berenike und sind den Römern gegenüber feindlich eingestellt, die einen Aquaeduct nach Tyros bauen wollen (was nach einer alten Prophezeiung der Untergang der Stadt wäre).

13. Samu kehrt in ihr Zimmer in einer Taverne zurück. Dort erhält sie überraschend Besuch vom Ägypter Hophra, der früher ihr Geliebter war und jetzt Leibwächter Elagabals ist. Sie verbringen die Nacht zusammen, aber Samu weiß nicht, ob sie ihm trauen kann.

14. Philippos arbeitet jetzt in einer Purpurfärberei.

Samu ist zu Elagabal gezogen und geht mit ihm zum Hafen, wo sie fast von einer herabfallenden Last getroffen wird – ein Anschlag, oder wollte man sie vom Hafen fernhalten?

15. Philippos ist wegen seiner vielen Fragen aufgefallen. Er soll gegen Hophra kämpfen, um zu beweisen, daß er tatsächlich ein Söldner ist, wie er behauptet. Er kann sich gut verkaufen, bis der Kampf abgebrochen wird.

16. Samu geht es schlecht (hat man sie vergiftet?), und sie ist in ihrem Zimmer eingeschlossen.

Elagabal hat den Kampf gewollt, um Philippos zu prüfen. Er will den Griechen als Ausbilder für den Kampf gegen Rom.

17. Samu, der es wieder besser geht, will zu Marcus Antonius aufbrechen, der mit den römischen Truppen in der Nähe ist. Vorher sucht sie bei Elagabal nach einem Beweis für dessen Machenschaften. Sie belauscht ein Gespräch über die Verschwörung gegen Rom und kann in Elagabals Archiv vordringen, aber Hophra überrascht sie dort.

Philippos will Abimilku von einer Beteiligung an der Verschwörung abbringen, um ihn zu retten.

18. Philippos erfährt von Simon, daß Samu verschwunden ist, möglicherweise ermordet.

Die Priesterin wird als Gefangene von einer Karawane nach Jerusalem gebracht; dort soll sie auf Hophras Befehl wieder freigelassen werden.

Philippos möchte sich Chelbes anvertrauen, der Priester will sich aber nicht gegen den Willen der Götter stellen.

19. Als Samu offenbar einen Skorpion davon abbringen kann, sie zu stechen, ist der Karawanenführer bereit, sie freizulassen.

20. Sie gelangt in das Lager der Römer und kann Antonius treffen, der aber trotz der Warnung vor einer Verschwörung, die ihm auch Iubal überbracht hat, nach Tyros gehen will.

21. Philippos wird von Abimilku über den Plan benachrichtigt, Marcus Antonius durch einen angeblichen göttlichen Blitz (in Wirklichkeit ein von Hophra abgeschossener Brandpfeil) zu töten. Während der Römer mit nur wenigen Leuten, darunter Samu, in die Stadt einzieht, kann Philippos den Ägypter in letzter Minute am Schuß hindern (Abimilku wird dabei getötet).

22. Antonius bringt die Tyrer nach dem Ausbleiben des göttlichen Zeichens vom Aufstand ab und will jetzt Iubal ergreifen lassen.

Philippos hat den tödlich verwundeten Hophra zu Chelbes gebracht.

Iubal will zusammen mit Archelaos auf einem Segelboot entkommen.

23. Hophra will Samu noch einmal sehen, die Philippos immer noch für tot hält.

Samu verfolgt auf einem römischen Schiff die Flüchtigen. Archelaos kann zu Berenike entkommen, als deren Gemahl er vorgesehen ist; der festgenommene Iubal beschuldigt ihn und Crassus, den Anschlag auf Ptolemaios versucht zu haben.

24. Der sterbende Hophra erklärt Samu, daß er im Auftrag des Ptolemaios den Aufstand in Tyros anzetteln sollte, um Berenike zu beschuldigen und eine römische Intervention in Ägypten zu erreichen. Pompeius und Gabinius, der Statthalter in Syrien, sind beteiligt und hätten Antonius geopfert. Hophra stirbt. Samu und Philippos vernichten den angeblichen Beweis für Berenikes Beteiligung.

Bewertung

Das ungleiche Ermittlerpaar aus dem ersten Band der Reihe, Der Flötenspieler, ist hier schon recht eingespielt. Zwar kabbeln sich Samu und Philippos immer noch gelegentlich, wirken ansonsten aber wie ein altes Ehepaar, das nicht mehr viele Worte um seine Beziehung machen muß. Auch der große Kontrast zwischen Samus ernsthaftem Glauben an die Götter und Philippos’ Skepsis stört sie kaum.

Die beiden haben es erneut mit dem Lieblingsthema aller Kriminalromane zu tun, die in der späten Republik spielen, einer weitausgreifenden Verschwörung unter Beteiligung römischer Spitzenpolitiker. Hier sind es sogar zwei Verschwörungen, nämlich der von Crassus unterstützte Plan, Ptolemaios zu beseitigen, und der Versuch, Berenike als Umstürzlerin darzustellen und vom ägyptischen Thron zu verjagen. Beide Intrigen wirken ein wenig konstruiert, aber das haben Verschwörungstheorien nun einmal so an sich. Auch Leser von Politthrillern haben sich noch nie daran gestört; in dieses Genre schwenkt die Handlung nämlich ein, nachdem die eigentlichen Morde schnell als Versehen aufgeklärt sind.

Es ist zu vermuten, daß der Autor weitere Bände mit den Protagonisten geplant hat, bisher aber nicht veröffentlichen konnte. Die Rückkehr des Ptolemaios nach Ägypten, Kleopatras Thronbesteigung, Vertreibung und Rückkehr unter dem Schutz Caesars würden sicher Stoff für mehrere Romane bilden, aber offenbar haben die Bände beim Publikum keinen so großen Anklang gefunden wie beispielsweise die von John Maddox Roberts oder (zumindest außerhalb des deutschen Sprachraums) Steven Saylor.

Es gibt einige sachliche Fehler: im letzten Gesang der Ilias (jedenfalls so, wie sie uns erhalten ist) wird keinesfalls der Zorn der Athena wegen der Mißhandlung Kassandras geschildert. Triremen waren keine Handelsschiffe (S. 195), Marcus Antonius zu dieser Zeit kein magister equitum (S. 255).

Zahlreiche griechische Begriffe und Namen sind falsch transkribiert: »Artemesia« (S. 17) bzw. »Artemisia Ephesia« (S. 300), »Bakcos« (S. 302), »Chosmophoroi« und »Chrysophoi« (S. 301), »Eirenarkes“ (S. 32), »Nabucodonosor« (S. 307).

Lateinfehler: »Omen« als Plural (S. 179), „Decurion“ (S. 225), »Ass« (S. 300).

Anachronistisch: »Loggia« (S. 38).

Nicht alle kursiven Begriffe erscheinen im Glossar. Sachliche Fehler im Glossar: Die Galater siedelten nicht »in der Region um Pergamon« (S. 303); die Ausführungen zum Proconsul sind teilweise mißverständlich (S. 309); die mit "Sh" beginnenden Begriffe sind falsch alphabetisiert (S. 310).

Druckfehler: »Katheder« (statt Katheter, S. 108), »des Meer« (S. 130), »er würden« (S. 168), »Kopf <wie> ein Schakal« 8S. 174), »des« in falscher Spalte (S. 316).