Iris Kammerer

Die Schwerter des Tiberius

München : Heyne, 2004

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Schilderte der erste Band von Iris Kammerers geplanter Trilogie das Schicksal eines Römers in Germanien, so hat sich jetzt die Perspektive im wesentlichen umgedreht; die Handlung spielt überwiegend im römischen Bereich, in dem Sunja als (wenn auch römisch akkulturierte) Germanin mit der neuen Wendung ihres Lebens fertigwerden muß. Erwartungsgemäß steht sie in diesem Band stärker im Vordergrund als im vorangegangenen, wo sie in erster Linie mit Cinnas Augen gesehen wurde.

Auch wenn dieser Band anders als der erste (wo man um Cinnas Befreiung und seine Liebe zu Sunja bangte) keinen übergreifenden Spannungsbogen hat, schafft es die Autorin, ständiges Interesse am Schicksal der Hauptfiguren zu erzeugen: Cinnas Gefährdung bei Reisen nach Germanien, Sunjas Schwangerschaft und der geheimnisvolle Überfall sorgen für ein Voranschreiten der Handlung, bei dem der Leser gern folgt. Daß Lucilla und Firmus ein Verhältnis haben, ist für den Leser freilich schnell durchschaubar, weil es zahlreiche Andeutungen darauf gibt; Ähnliches gilt für Eggius und die Verwicklung seines Optios in den Überfall auf Sunja.

Die Autorin hat sich auch in diesem Band erkennbar darum bemüht, antiken Befindlichkeiten nahezukommen. Ganz lassen sich moderne Mentalitäten natürlich nicht ausblenden. Die Realien (auf jeden Fall im römischen Bereich, für den unsere Quellen weit besser sind als für die Germanen) sind auch hier gut recherchiert. »Princeps Caesar Augustus« (S. 340) ist keine offizielle Titulatur, als die Tiberius sie hier zu verwenden scheint. Cinnas »Beförderung« zum Legaten einer Legion (S. 386–387) wäre – von den handlungsimmanenten Gründen abgesehen – schon aufgrund der Tatsache, daß er nur noch eques ist, ganz unmöglich: die Funktion gehört in den senatorischen Cursus honorum.

Der Überfall Daguvaldas auf die Burg Inguiotars erinnert oberflächlich an ein ähnliches Geschehen in Jörg Kastners Thorag, ist hier aber besser in die Handlung integriert. Daß solche Belagerungen (einschließlich römischen Eingreifens) vorkamen, zeigt die bekannte Stelle bei Tacitus (ann. 1, 57), wo Germanicus dem von Arminius belagerten Segestes zu Hilfe kommt. Ähnlich ist der vereitelte Anschlag des Dagumers auf Tiberius aus einer kurzen Bemerkung bei Sueton (Tib. 19) entwickelt. Überhaupt wird hier, wie teilweise schon im vorangehenden Band, die römisch-germanische Auseinandersetzung in realistischer Weise als ein Geflecht verschiedener Interessen gezeigt, bei der es keine eindeutigen Schwarz-Weiß-Unterscheidungen wie »Römer – Germanen« oder gar »Gut – Böse« geben konnte.

Wie im ersten Band, verrät der Klappentext recht viel von der Handlung, während das hilfreiche Personenverzeichnis im Anhang versteckt ist. Die Zeittafel ist etwas überarbeitet; leider ist die mißverständliche Angabe zur Provinzialisierung Noricums stehengeblieben (S. 549).

Es bleibt zu hoffen, daß der angekündigte dritte Teil, mit dem die Trilogie ihren Abschluß finden soll, nicht allzu lang auf sich warten läßt.

Weitere Informationen

Website der Autorin: http://www.iris-kammerer.de

Inhalt

1. Gaius Cornelius Cinna kommandiert jetzt als Praefect eine gemischte Cohorte mit ubischen Reitern, Hilfstruppen und zwei Legionscenturien. Seine Frau Sunja möchte aus dem Lager Mogontiacum in die Vorstadt umziehen. Sie findet ein Quartier im Haus des Primipilus Pontius und seiner Frau Vitalina. Cinna bricht mit seiner Truppe zu einer Mission über den Rhenus auf.

2. Er soll freundschaftliche Beziehungen zu den Chatten herstellen. Zu Cinnas Entsetzen vergewaltigen und töten einige Soldaten aus der Centuria des Eggius ein Mädchen, auf das sie im Wald gestoßen sind. Cinna bringt den Leichnam zum Fürsten Ahtamers, der die Übergabe der Schuldigen verlangt. Cinna sichert zu, sie außerhalb des Lagers unterzubringen, und liefert sie damit den Chatten aus.

3. Sunja gewöhnt sich allmählich an das Leben bei Vitalina, ist aber unzufrieden, weil sie noch kein Kind von Cinna bekommen hat. Dessen Schwester Cornelia Lucilla kommt überraschend nach Mogontiacum und behandelt Sunja, die sie nicht als ihre Schwägerin, sondern nur als Buhlin ihres Bruders ansieht, sehr herablassend; sie quartiert Sunja und deren Schwester Saldir in kleinere Zimmer um.

4. Früher als erwartet kehrt Cinna mit seinen Leuten nach Mogontiacum zurück. Nach einem kurzen Besuch bei seinen Angehörigen erstattet er Tiberius Bericht, Dort trifft er den Praefecten Flavus, den Rom treu gebliebenen Bruder des Arminius. Lucilla versucht weiterhin, Sunja als Dienerin zu behandeln.

5. Sunja erinnert sich, wie sie den verwundeten Cinna gepflegt hat. Sie ruft wegen ihrer Kinderlosigkeit die Matronen an. Auf dem Rückweg von deren Heiligtum trifft sie Flavus, der um ein Gespräch mit Cinna bittet. Der Ton zwischen Lucilla und Sunja wird immer schärfer.

6. Cinna bittet Sunja um Verständnis für seine Schwester. Er reist auf Tiberius’ Befehl nach Bonna, wo der Oberbefehlshaber einen Kriegsrat durchführt und seinen Kampf gegen Arminius erläutert. Cinna muß noch einmal seine Entscheidung verteidigen, die Soldaten den Chatten auszuliefern. Anschließend lädt Tiberius ihn allein zu sich. Er hat einen Sonderauftrag für Cinna, der ohne Bedeckung zum Chattenfürsten Wakramers (Sunjas Onkel) reisen soll.

7. Bei Wakramers, der sich nach seinen Nichten erkundigt, trifft Cinna die Fürsten Ahtamers und Thiudawili. Cinna wird zu einem geheimnisvollen weiteren Besucher geführt – Arminius, der um die Unterredung mit Cinna gebeten hat. Bei ihm ist auch Daguvalda, Sunjas verschmähter Bräutigam. Arminius erklärt, daß er den Kampf mit Tiberius aufnehmen wird. Cinna, der erfahren hat, daß Sunjas Mutter Thauris krank ist, überlegt, ob er Sunja zu ihren Eltern zurückkehren lassen soll.

8. Cinna kommt nach Mogontiacum zurück. Sunja erklärt ihm, daß sie, um den Fluch zu lösen, der wegen des Todes ihres Bruders auf ihr und Cinna liegt, den Matronen gelobt hat, mehrere Monate zu fasten und Enthaltsamkeit zu üben. Bei einem Einkaufsgang über den Markt wird Sunja wegen ihres fortgesetzten Fastens fast schlecht; Flavus kümmert sich um sie.

9. Cinna hat das Haus neben dem des Pontius gekauft und läßt es heimlich herrichten. Auf der Durchreise sucht ihn der Legat Asprenas auf, mit dessen Frau Cinna vor seiner Gefangenschaft ein Verhältnis hatte, was Asprenas weiß. Eggius verleumdet Sunja bei Cinna und beschuldigt sie, sich mit Flavus zu treffen. Cinna befragt Saldir, die aber betont, daß alles harmlos ist.

10. Cinna schenkt Saldir, die viel Interesse an Mathematik gezeigt hat, eine Rolle mit Werken Platons. Sie ist unzufrieden mit dem Schicksal, das als Frau auf sie wartet. Im Lager erscheint Sunjas Bruder Hraban, mit dem Cinna sich während der Gefangenschaft angefreundet hat. Cinna lädt ihn zu sich ein, und überraschenderweise findet Lucilla Gefallen an dem Germanen. Hraban hat Cinna ein germanisches Mädchen als Dienerin mitgebracht; es ist Reika, die von Cinna ein Kind bekommen hat. Cinna trifft im Bad auf Flavus, der seine Begegnungen mit Sunja erklärt. Er selbst ist mit der Tochter des Ahtamers verlobt. Sunja hat auf Drängen ihres Bruders ihr Gelübde gelöst. Sie holt in der Küche das aufgeschobene Essen nach und ist gerade dabei, mit Cinna zärtlich zu werden, als Lucilla erscheint, offenbar von einem nächtlichen Ausflug.

11. Im Herbst, unmittelbar vor Cinnas neuerlichem Abmarsch über den Rhein, sieht Sunja ein unheilvolles Vorzeichen, einen riesigen Krähenschwarm. Sie eilt ins Lager, um ihren Mann zu warnen, der an seinen Befehlen aber nichts ändern kann. Als Cinna mit seiner Truppe über den Fluß setzt, sieht Sunja nur aus der Ferne zu. Sie gelobt der Minerva ihr Haar für Cinnas unbeschadete Rückkehr. Als sie Cornelia das neue Haus zeigt, weist diese darauf hin, daß es mit Schulden gekauft ist und Sunja es wieder aufgeben müßte, falls Cinna nicht zurückkehrt.

12. Auf dem Marsch kommt die Nachricht, daß Daguvalda mit zweihundert Kriegern die Burg von Sunjas Vater Inguiotar belagert. Hraban will sofort aufbrechen, aber Cinna mahnt ihn, daß er mit zu schwachen Kräften nichts ausrichten kann. Er stellt seine eigentlichen Aufgaben zurück, um seinen Wohltätern zu helfen, nimmt seine ubischen Reiter und holt die Fürsten Wakramers und Thiudawili mit ihren Leuten zu Hilfe. Kundschafter berichten über die Belagerung, und die römisch-germanischen Truppen greifen in drei Teilen an. Cinna gerät in einen Zweikampf mit Daguvalda, den er schließlich mit Hilfe der ausgebrochenen Belagerten töten kann.

13. Cinna hat eine schmerzhafte Verwundung erlitten, einer seiner Leute ist gefallen. Ansonsten sind Daguvaldas Leute vollständig geschlagen. Sie hatten Gefangene aus der Schlacht im Teutoburger Wald bei sich, die Cinna jetzt zusammen mit einem Ratgeber Daguvaldas zu Tiberius bringen soll, um seine eigenmächtige Exkursion zu rechtfertigen. Inguiotar und Thauris nehmen Cinna wie einen Sohn auf.

14. Sunja und Saldir sind in das neue Haus umgezogen. Cornelia nimmt Reikas Kind für sich in Beschlag. Ein Soldat kommt mit der Nachricht, daß Cinna im Anmarsch ist. Sunja muß bei seiner Ankunft aber feststellen, daß er verwundet ist und sich wegen seiner Eigenmächtigkeit rechtfertigen muß. Sunja löst ihr Gelübde ein und läßt aus ihrem Haar eine Perücke für die Minervastatue anfertigen. Einmal wieder kommt Cornelia und macht Sunja Vorwürfe, ihren Bruder ins Unglück gestürzt zu haben. Wie Cornelia von ihrem unbekannten Liebhaber erfahren hat, steht er unter Bewachung. Ihre feindselige Haltung gegenüber ihrer Schwägerin kann sie aber nicht mehr aufrechterhalten. Sunja geht zu Tiberius und bittet für Cinna, mit ungewissem Erfolg.

15. Cinna kann seinen Dienst wieder aufnehmen und kehrt zu Sunja zurück. Überraschend sucht ihn Tiberius in seinem Haus auf. Der Imperator vertraut ihm weiterhin, trotz seines eigenmächtigen Verhaltens und der Bedenken, die Augustus brieflich geäußert hat. Cinna macht den Cherusker Ahtala zu seinem Leibwächter. Tiberius gibt an den Saturnalien ein Fest für die Offiziere, an dessen Rand Sunja ihrem Mann verrät, daß sie im Sommer ein Kind bekommen wird.

16. Flavus bittet Cinna, an Stelle seiner Verwandten mit ihm zu kommen, wenn er seine Braut abholt, doch Cinna erbittet sich Gedenkzeit. Er überrascht seine Schwester mit ihrem Geliebten – seinem Stellvertreter, dem Centurio Firmus! Cinna verbietet den beiden, sich weiter zu treffen. Flavus erzählt ihm, wie er die Nachricht von der Meuterei seines Bruders Arminius erfahren hat. Cinna belauscht, wie Sunja und Lucilla, die zu Freundinnen geworden sind, sich über Lucillas Verhältnis zu Firmus und Cinnas Reaktion unterhalten. Saldir erwischt ihn dabei. Cinna wird klar, daß er sich auch um ihre Zukunft kümmern muß. Tiberius weist Cinnas Ersuchen ab, seine Cohorte zu einer reinen Ala (ohne die Centurien des Firmus und Eggius) zu machen.

17. Sunja und Saldir reiten öfter gemeinsam aus. Cinna lädt Flavus und einige weitere Offiziere zu einem Gastmahl. Lucilla nimmt Sunja und Saldir zum Matronenheiligtum mit. Sie selbst hat aber noch ein heimliches Treffen, und als sie nicht wiederkommt, reiten die beiden Schwestern allein zurück. Sie werden von drei Männern überfallen, die Sunja abdrängen. Ein Reiter rettet sie.

18. Es ist Firmus, der sich wohl vorher mit Lucilla getroffen hat. Cinna ist verärgert, auch wenn Sunja nichts geschehen ist. Der Lagerpräfekt Strigo betreibt die Suche nach den Tätern nicht sehr intensiv, sondern ist mit der summarischen Bestrafung irgendwelcher Verdächtiger zufrieden. Der Optio des Eggius ist verschwunden. Sunja bringt einen Jungen zur Welt, den Cinna nach seinem Bruder Lucius nennt. Er muß in das Lager des Tiberius nach Aliso reisen, wo er einen Sonderauftrag bekommt: als Leibwächter getarnt, soll er beim Gespräch des Imperators mit einem germanischen Fürsten zugegen sein, der angeblich zu den Römern überlaufen will. Es ist kein anderer als Dagumers, der Vater Daguvaldas. Cinna soll eigentlich stumm bleiben, beschuldigt den Germanen aber, ein Verräter zu sein, worauf Dagumers einen Dolch zieht und überwältigt wird.

19. Vor seiner Rückreise nach Mogontiacum begegnet Cinna dem verwundeten Flavus, der um sein Auge bangt. Sogar Tiberius besucht den germanischen Praefecten. Für Cinna hat der Imperator dabei sogar ein seltenes Lob über. Cinna kehrt nach Hause zurück. Der Leichnam des verschwundenen Optio ist gefunden, zwei junge Burschen, entlaufene Sklaven, werden gefoltert, um ein Geständnis zu erzwingen. Cinna bricht dies ab, befragt die beiden und läßt sie laufen.

20. Die Legionen kehren nach dem Feldzug nach Mainz zurück, und Cinnas Einheit, die nicht im Einsatz war, muß in ein Nebenlager umziehen. Tiberius geht nach Rom zurück und überläßt Cinna seine Feldbibliothek, zur Freude von Saldir und Sunja. Flavus, der ein Auge verloren hat, will jetzt seine Braut holen, und Cinna hat eingewilligt, ihn zu begleiten.

21. Cinna, Flavus und ihre Leibwächter reiten zu Ahtamers, wo zur Feier der Hochzeit auch Inguiotar und Hraban erschienen sind. Ein ungebetener Gast kommt zu später Stunde – Arminius. Er versucht vergeblich, seinen Bruder auf seine Seite zu ziehen, und bricht bald wieder auf, doch ist zu befürchten, daß er auf Flavus und dessen Begleiter lauert. Auf Vorschlag von Flavus’ Braut Ahtaswintha nehmen sie einen Schleichweg durchs Moor, werden aber von Arminius und dessen Leuten gestellt. Flavus weigert sich weiterhin, den Römern die Treue zu brechen, und Arminius läßt ihn ziehen.

22. Cinna findet nach seiner Rückkehr seine Cohorte in Unruhe vor, wie Firmus berichtet. Bei einer Offiziersbesprechung begehrt Eggius offen auf und zieht sogar die Waffe. Cinna läßt ihn festnehmen. Firmus hat den Verdacht, daß Eggius auch hinter dem Überfall auf Sunja steckt. Als Flavus und Ahtaswintha Cinna und dessen Familie besuchen, erscheint Cinnas Gefreiter Vestrius und berichtet, daß Eggius entkommen ist. Cinna eilt zum Lager und macht sich auf die Suche. Ihm kommt der Gedanke, daß Eggius gegen jede Erwartung nach Mogontiacum geflohen sein könnte.

23. Sunja hat ein ungutes Gefühl und schickt Saldir mit ihrem Sohn ins Lager. Tatsächlich dringt Eggius in das Haus ein, tötet den Leibwächter Nonnus, verletzt Vestrius und zerrt Sunja mit sich. Im Wald will er sie vergewaltigen und dann umbringen. Mit letzter Kraft kann Sunja ihn mit seinem eigenen Dolch verletzen und fliehen. Als Cinna sein Haus erreicht, kann er sich nur noch auf die Verfolgung des Eggius machen. Er findet die zusammengebrochene Sunja und dann den verletzten Eggius, der gesteht, hinter der Verschwörung zu stecken, die einen angeblichen Verrat von Cinna und Flavus vereiteln wollte. Cinna läßt ihn als Beute für die Wölfe zurück.

24. Nur langsam überwindet Sunja Schock und Ekel ihrer Entführung. Saldir ist verärgert, weil sie als Mädchen ihrer Schwester nicht helfen konnte. Sunja identifiziert die beiden Soldaten, die sie auf Eggius’ Anstiftung zusammen mit dessen Optio überfallen haben. Cinna und Flavus fragen sich, wie es unter dem Befehl des Germanicus mit dem Kampf gegen die germanischen Aufständischen weitergehen wird.

Erste Veröffentlichung: 20. Februar 2005.
22. Februar 2005: Reihenfolge umgestellt, ein Satz hinzugefügt.
Hinweis: Das Rezensionsexemplar wurde von der Autorin zur Verfügung gestellt.