Johannes Ledroit

Wismunda, die Alemannen-Priesterin : eine rheinische Erzählung aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts

Mainz : Kirchheim, 1929.

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Inhalt

Im Kolosseum in Rom findet in Anwesenheit des Kaisers Valerian und seines Sohnes und Mitregenten Gallienus eine Naumachie statt, bei der auch Christen hingemetzelt werden. Eine Gruppe von Christen unter Führung des Bischofs von Rom sieht ihren Glaubensgenossen beim Martyrium zu und entgeht selbst nur knapp dem Tod in der Arena.

Die Leichen der Christen werden von ihren Glaubensbrüdern heimlich abgeholt und zur Bestattung in die Katakomben gebracht. Unter ihnen ist auch Marcus Lucius, den seine vornehme Mutter aus einem der Schiffe der Naumachie bergen muß. Doch Marcus ist noch am Leben, wie sich herausstellt. Bei der Bestattung werden die Christen von den Verfolgern überrascht; der Papst stellt sich ihnen und dem sicheren Tod entgegen.

Einige Jahre später fährt ein römisches Schiff den Rhein hinunter, um Wein nach Moguntiacum zu bringen. Der germanische Köhler Harro, von seinem Stamm verstoßen, bietet ihm seine Lotsendienste an. An Bord ist ein Römer, der den vicus Geronensis aufsucht, einen der wenigen noch in römischer Hand verbliebenen Orte auf dem rechten Rheinufer. Es ist der wiedergenesene Marcus Lucius, der in Geronensis überraschend seinen Jugendfreund Lollianus trifft, der jetzt Legat von Obergermanien ist. Lollianus hört verwundert, wie Marcus ihm von seiner Bekehrung zum Christentum erzählt, seiner Verwundung in der Arena und seinem Wunsch, als christlicher Priester in Germanien zu wirken.

Lollianus nimmt Marcus mit in die Villa des Kaufmanns Sempronius. Als dieser erfährt, daß sein neuer Gast ein Christ ist, fürchtet er sich zunächst vor den schlimmen Dingen, die man den Anhängern dieser Religion nachsagt, doch kann Marcus ihn von seiner Güte überzeugen. Lollianus bekommt von Kaiser Gallienus in einem Geheimschreiben den Auftrag, gegen den Usurpator Postumus vorzugehen. Vorher aber will er noch die Alemannenpriesterin Wismunda zu seiner Frau machen.

Die Alemannen halten am Abend ein Thing ab, bei dem eine Ehebrecherin mit einem Gottesurteil bestraft und ein Pferd geopfert wird. Lollianus versucht, Wismunda zu entführen, wird aber von den Alemannen entdeckt. Marcus eilt ihm zu Hilfe und kann den Freund retten, doch die nachdrängenden Alemannen zwingen die Römer schließlich dazu, erst den vicus und dann das Kastell aufzugeben und sich zu Schiff nach Moguntiacum zurückzuziehen.

Nach der Ankunft in der vom Strom aus prächtig anzuschauenden Stadt läßt Lollianus gleich einen Gegenschlag vorbereiten und schickt erst eine Reiterala aus, um dann mit Legionstruppen in das Dekumatenland einzurücken. Von den Germanen ist aber nichts mehr zu sehen, und so muß die Truppe sich aufs Plündern und Brennen beschränken (an dem ein Manipel christlicher Legionäre nicht teilnimmt, das Marcus entdeckt). Bei der Rückkehr nach Moguntiacum läßt es sich Lollianus nicht nehmen, einen feierlichen Triumphzug abzuhalten, auch wenn der Alemannenkönig, den er mitführt, nur der Kohlenbrenner Harro ist.

Während Lollianus ein Festmahl veranstaltet, feiert Marcus Lucius mit den Christen von Moguntiacum die Messe. Der christliche Centurio Plautus warnt ihn vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Alemannen. Marcus schafft es nicht, den betrunkenen Lollianus zum Handeln zu bewegen, der stattdessen ihm die Befehlsgewalt überträgt. So leitet der christliche Presbyter Marcus Lucius den Abwehrkampf gegen die über den Fluß setzenden Alemannen. Vor allem mit Hilfe der christlichen Centurien schlägt er den Angriff der Germanen zurück. Als Lollianus am andern Tag von den Vorgängen hört, will er sich in sein Schwert stürzen, doch Marcus bittet ihn, seinen Lebenswandel zu ändern.

Als die Verhältnisse sich wieder beruhigt haben, sucht Marcus Lucius den Alemannenkönig Harubald, der seit dem Kampf um Moguntiacum erblindet ist, und dessen Tochter Wismunda auf, um ihnen Kunde vom Tod ihres Sohnes und Bruders zu bringen, der Marcus' Kriegskamerad im Osten war. Harubald ist erfüllt vom Haß gegen alles Römische, erkennt aber schließlich in Marcus einen Freund seines Sohnes und nimmt ihn gastlich auf. Allmählich entspinnt sich eine Beziehung zwischen Marcus und Wismunda, die den Christen sogar dazu bringt, an einem Gottesdienst der Alemannen teilzunehmen. Auf einmal aber wird dem Römer sein Frevel am Christengott klar, und er schreitet gegen die Feier ein. Wismunda schafft es gerade noch, zu verhindern, daß man Marcus sofort tötet. Sie bittet ihn inständig, mit ihr zu fliehen, doch er will seiner gelobten Ehelosigkeit und seinem Glauben treu bleiben. Wismunda sieht schließlich keine Rettung mehr und tötet Marcus, als die Alemannen seine Opferung als Frevler verlangen.

Als Harro, den man als Kundschafter ausgesandt hat, erfährt, wie Marcus Lucius umgekommen ist, läßt Lollianus einen Rachefeldzug durchführen. Er greift das Gehöft Harubalds an und tötet den Blinden und seine Edelinge, doch Wismunda entkommt. Allmählich drängen die Germanen die Römer wieder zurück; Harro, der ihnen in die Hände fällt, wird als Verräter hingerichtet.

In einer christlichen Einsiedelei in einem Alpental wird die ruhelos umherziehende Wismunda aufgenommen und gepflegt, als sie bei einem Sturz verletzt wird. Bei ihrer allmählichen Genesung gerät sie in den Bann des christlichen Glaubens und eines Tafelbildes der Muttergottes und wird schließlich getauft. Sie kehrt in ihre Heimat zurück und lebt als Einsiedlerin an dem Ort, wo sie Marcus Lucius tötete. Von dort verbreitet sie die christliche Botschaft bei den Alemannen.

Bewertung

Es handelt sich bei diesem Werk weniger um eine historische Erzählung als um christliche Erbauungsliteratur von stark katholischer Tendenz. Diese wird zum Beispiel daran deutlich, daß es hier bereits im 3. Jahrhundert einen "Papst" gibt, der entfernten Gemeinden Priester und Bischöfe sendet. Auch läßt der Autor die Romanfiguren unbekümmert die christliche Zeitrechnung verwenden, die es noch gar nicht gab. Er tritt ansonsten als auktorialer Erzähler auf, dessen eigene Perspektive ständig durchscheint. Vor allem in den Dialogen verwendet er teilweise eine sehr stilisierte Sprache bis hin zur Rhythmisierung in Blankversen.

Der eigentliche historische Gehalt ist recht gering. Immerhin muß man konzedieren, daß die Geschichte des gallischen Sonderreiches unter Postumus nicht völlig entstellt wird. Aber die Schilderung z. B. des Triumphzugs weist eher wilhelminische Züge auf.