Fabian Lenk

Anschlag auf Pompeji

Bindlach : Loewe, 2002

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Inhalt

Der erste Anschlag

Aurelius Tulla, der Curator aquarum von Pompeii, repariert mit seinen Leuten die von einem Erdbeben beschädigte Wasserleitung, die in die Stadt führt. Ein Unbekannter verübt einen Anschlag auf den Baukran. Zuerst denken alle an einen Unfall oder Fahrlässigkeit, aber Marius und Caius, Aurelius’ Zwillingssöhne, entdecken die vom Täter zurückgelassene Axt.

Das Ultimatum

Bevor sie es ihrem Vater sagen können, stellt dieser den Zimmermann Merculiaris wegen seiner vermeintlichen Schlampigkeit zur Rede. Doch eine um einen Pfeil gewickelte Botschaft stellt klar, daß es ein Anschlag war: der Täter will 500.000 Sesterzen erpressen und droht damit, sonst das Wasser zu vergiften. Aurelius läßt seine Söhne den Ingenieur Marcus holen, der dazu rät, auf die Erpressung einzugehen.

Die Totenkopfhöhle

Der Täter muß ein Bekannter von Aurelius sein, da er dessen geheimgehaltenen weiteren Namen Nigidius kennt. Marius und Caius versuchen herauszufinden, von wo der Pfeil abgeschossen wurde, und dringen in die geheimnisvolle Totenkopfhöhle ein, in die Fußspuren führen. Marius versinkt fast in einem Schlammloch und wird von seinem Bruder gerettet. Sie stoßen auf einen zweiten Ausgang der Höhle, aber auch auf das Versteck des Täters.

Die Zeit läuft ab

Die beiden Jungen kehren mit dem Pfeilköcher und der weiten Tunika des Täters nach Hause zurück. Am nächsten Tag läßt Aurelius die Baustelle bewachen, aber in einem Gewitter wälzt sich eine Schlammlawine auf den Aquädukt zu. Caius und Marius überstehen das Unwetter auf einem Baum. Aber es war wieder ein Anschlag; der Attentäter droht erneut damit, das Wasser zu vergiften. Die Jungen laufen zur Herberge von Martiola und deren Tochter Livia, weil in deren Nähe die Lawine ausgelöst wurde. Livia hat drei Männer in verschiedene Richtungen wegreiten sehen.

Jagd auf den roten Reiter

Doch nur der nach Pompeii reitende kann wegen seiner Körpergröße der Täter sein. Caius und Marius folgen ihm in die Stadt und können ihn wegen seiner auffallenden roten Tunika im Auge behalten, obwohl er sie an belebten Orten wie dem Macellum abzuschütteln versucht. Schließlich geht er in die Stabianer Thermen.

Spuren in den Thermen

Die Zwillinge folgen ihm auch dorthin, können ihn aber nicht mehr identifizieren, nachdem er seine rote Tunika abgelegt hat. Offenbar ist es dem Mann gelungen, die beiden abzuschütteln.

Die Schlinge zieht sich zu

Doch Marius entdeckt, daß er sich in einer Abstellkammer verborgen hat. Der Attentäter kann den Jungs zwar daraus entkommen, läßt aber einen Siegelring mit der Inschrift MAP zurück. Unter den Aufzeichnungen von Perikles, dem Sekretär ihres Vaters, finden die Zwillinge eine Liste der führenden Mitarbeiter.

Entscheidung im Morgengrauen

Darunter sind nur zwei, deren Initialen mit denen auf dem Ring übereinstimmen, der Zimmermann Merculiaris und der Ingenieur Marcus. Mit einer Schriftprobe wollen Marius und Caius am nächsten Morgen den Täter überführen. Der Zimmermann empfängt sie zwar sehr ungnädig, gibt ihnen aber unter einem Vorwand seine Unterschrift. Marcus ist viel freundlicher, und sofort vergleichen die Jungen die Schriftproben.

Rotes Wasser

Zu ihrer Überraschung ist Marcus der Schreiber der Drohbriefe. Doch der Ingenieur hat sie belauscht und eilt davon, um seinen Plan doch noch umzusetzen, nachdem er Caius mit einem Pfeil leicht verwundet hat. Die Zwillinge eilen zur Baustelle und berichten ihrem Vater ihre Erkenntnisse. Doch schon hat Marcus das Wasser wie angedroht rot gefärbt. Um es aufzuhalten, bevor es Pompeii erreicht, wollen die Jungen mit Livias Hilfe eine weitere Schlammlawine auslösen. Das gelingt, aber Marcus gibt sich nicht geschlagen und bedroht Livia mit seinem Bogen. Er wollte sich an Aurelius rächen, weil er selbst gern Curator aquarum geworden wäre (die Gelderpressung war nur Tarnung). Martiola hat die Szene beobachtet und kann Marcus überwältigen.

Bewertung

Neben dem inzwischen etablierten Genre des historischen Kriminalromans hat sich in den letzten Jahren auch die entsprechende Variante für junge Leser entwickelt, verkörpert in Deutschland vor allem von H. D. Stöver (nach älteren Vorläufern wie dem geradezu zum Klassiker gewordenen Henry Winterfeld). Als weitere Spezialisierung gibt es die Kriminalgeschichte zum Mitraten, in moderner Umgebung schon lange etabliert (etwa die ???-Reihe, vermarktet unter dem Namen von Alfred Hitchcock, oder Wolfgang Ecke), von Germund Mielke zuerst in die Antike versetzt. Der Jugendbuchverlag Loewe hat in jüngster Zeit (ab 2002) mit einer Reihe »Tatort Geschichte« begonnen, deren bisher erschienene Bände einen Zeitraum vom alten Ägypten bis zum Mittelalter abdecken, mit einem gewissen Schwerpunkt in römischer Zeit. Von den bisher (Oktober 2003) fünf entsprechenden Bänden stammen vier von Fabian Lenk, der vorher bereits (nicht-historische) Kriminalromane für erwachsenen Leser verfaßt hat.

Auf beschränktem Raum (100 Seiten in großer Schrift, von denen ein Teil von den Illustrationen eingenommen wird) erzählt Lenk eine unterhaltsame, wenn auch nicht übermäßig originelle Geschichte mit zwei jugendlichen Protagonisten. In den Augen eines Erwachsenen wird die Wahrscheinlichkeit manchmal ein wenig strapaziert (Caius und Marius handeln immer am schnellsten von allen Anwesenden, und der rettende Bergsturz im letzten Kapitel wird ein wenig zu mühelos ausgelöst), aber junge Leser stören sich daran erfahrungsgemäß ebensowenig wie an der etwas schematischen Figurenzeichnung. Ein aufmerksamer Leser kann bereits im zweiten Kapitel den Täter erraten, und die eingestreuten Rätsel, die sich meist mit Hilfe der Abbildungen klären lassen, sind auch nicht übermäßig schwer.

Große Teile der Geschichte sind eher didaktisch angelegt und vermitteln Informationen über römische Wasserleitungen, Bäder, Mahlzeiten und vieles weitere, bis hin zu einer bekannten Anekdote über Nero als Sänger. Durch eine meist recht gute Integration in die Handlung gelingt dies im ganzen überzeugend und ist auch fachlich überwiegend korrekt. Über Pompeii, seinen Untergang, römische Wasserversorgung und Bautechnik gibt es zudem Informationen im Anhang. Ein paar Versehen fallen auf:

Die Eltern von Caius und Marius werden als »Patrizier« bezeichnet. »Nero Claudius Caesar« ist keine Kaisertitulatur (S. 116). Die Namengebung erscheint teilweise etwas obskur: Marius oder Aurelius sind als Vornamen behandelt, Nigidius wird als »zweiter Vorname« bezeichnet. Auch die Namen der Liste S. 88–89 sind nicht alle authentisch, auch wenn sich einige in anderem Zusammenhang belegte Namen darunter finden. Der italienische Vorname lautet nicht »Guiseppe« (S. 119). Für die Topographie Pompeiis ist die moderne (italienische) Nomenklatur verwendet, z. B. Porta Vesuvio (S. 27). Lateinfehler sind: »das Aquädukt« (S. 11 und öfter), »opus caemantitium« (S. 29 und öfter), »valde bona« (S. 32 und öfter; lies: bene?).

Anachronistische Elemente halten sich, im Gegensatz zu manch anderen vergleichbaren Werken, sehr im Hintergrund, und so vermittelt die kurze Geschichte durchaus einen überzeugende Vorstellung vom Leben in einer römischen Zeit.