Cay Rademacher

Mord im Praetorium : historischer Kriminalroman aus dem römischen Köln

Köln : Edition Sisyphos, 1996

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Inhalt

"Die verlorene Liebesnacht"

Aelius Cessator, Freigelassener des Hadrianus, der sich in der Begleitung des Statthalters Traianus in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium aufhält, muß auf die Freuden des Saturnalienfestes verzichten, als im Keller des Praetoriums die Leiche des Glasherstellers Repentinus gefunden wird. Cessator soll sich um die Aufklärung des Todesfalles kümmern.

"Der gläserne Reichtum"

Am nächsten Morgen verläßt Cessator seine Wohnung und macht sich auf den Weg zu den Glaswerkstätten vor der Stadt. Vom alten Sklaven Diatretus erfährt er einiges über die Organisation dieses Gewerbes. Die beiden Hauptkonkurrenten des Toten, der Kelte Blussus und der ehemalige Sklavenhändler Aiacius Mango, könnten für Repentinus' Tod verantwortlich sein. Vielleicht war es aber auch dessen Teilhaber Fortis, wie die Senatorenfrau Balbilla vermutet, die Cessator im Bad trifft.

"Gerüchte"

Cessator speist in der Schenke "Zum hungrigen Jupiter", deren Wirt Arminius auch schon von dem Mord gehört hat, ebenso wie Cessators Vermieterin Iulia Famigerata, die er auf der Latrine trifft. Sie hält den Sklaven Salvius, den Geliebten von Repentinus' Frau, für den Mörder. Ein Unbekannter verübt einen Mordanschlag auf Cessator, der sich aber wehren kann; der Täter entkommt.

"Ein toter Informant und ein trauernder Teilhaber"

Am nächsten Morgen erfährt Cessator, daß Diatretus, der sich weiter für ihn umhören sollte, in der Nacht gestorben ist - vielleicht ermordet? Cessator sucht Fortis auf, um herauszufinden, ob dieser mit dem Mord an seinem Partner zu tun hat. Der reiche Geschäftsmann ist aber offensichtlich nicht beteiligt. Cessator trifft auch Fortis' schöne Tochter Galeria.

"Die trauernde Familia"

Als nächstes sucht Cessator das Haus des Mordopfers auf. Er spricht mit dem Sklaven Salvius (den Repentinus bald freigelassen hätte), Repentinus' Frau Marcia und seinem mißratenen Sohn.

"Konkurrenten"

Der ehemalige Sklavenhändler Mango behandelt den Freigelassenen Cessator sehr hochmütig; er war zum Zeitpunkt des Mordes nicht im Praetorium, sondern in seinem eigenen Haus. Sein Geschäftserfolg droht die anderen Glashersteller aus dem Geschäft zu drängen. Blussus, den Cessator anschließend besucht, lebt in großer Angst vor Mango; er war beim Saturnalienfest der Nachbar des Repentinus gewesen.

"Eine alte Geschichte"

In den Thermen bemerkt Cessator, daß jemand in den Werken des Tacitus und Suetonius der dortigen Bibliothek bestimmte Passagen, die sich auf die Erhebung des Vitellius vor 30 Jahren beziehen, mit Randnotizen versehen hat. Es war kein anderer als Repentinus, der vor seinem Tod auch den Marstempel aufgesucht hat, wo das Schwert Caesars und der Dolch Othos aufbewahrt werden. Letzterer ist allerdings verschwunden, und Cessator vermutet, daß er die Waffe ist, die Repentinus bei seinem Tode bei sich trug. Der Ermordete hat auch Erkundigungen bei dem Schmied angestellt, der Caesars Schwert restauriert. Bei der Rückkehr in seine Wohnung bemerkt Cessator, daß jemand eingedrungen ist und einen Zettel mit den Worten "in vinum veritas" hinterlassen hat.

"Galeria"

Am nächsten Tag findet im halbfertigen Amphitheater eine Mimusaufführung statt, zu der die ganze CCAA strömt. Vor Beginn der Vorstellung wird Cessator von Hadrianus befragt, wie weit er mit seinen Ermittlungen ist. Er darf sich zur Familie des Fortis setzen und kann Kontakt mit Galeria aufnehmen. In einer Unterbrechung verschwinden die beiden und lieben sich heimlich. Sie verabreden ein weiteres Rendezvous für den folgenden Abend. Cessator kehrt überglücklich nach Hause zurück.

"Friedhofsliebe"

Cessator verbringt den folgenden Tag in Vorfreude auf das abendliche Treffen. Zwischendurch erkundigt er sich aber auch am Hafen nach dem Glashandel und erfährt, daß Blussus im Verdacht steht, frühere Mitbewerber mit unerlaubten Mitteln ausgeschaltet zu haben. Cessator und Galeria verbringen ihre Liebesnacht auf dem Grabmal eines dieser Konkurrenten, des Poblicius. Als sie sich wieder getrennt haben, wird Cessator an der Ara Ubiorum von einem Unbekannten niedergeschlagen. Er kann aber entkommen und wird von Famigerata aufgenommen.

"Ein Verdacht"

Mit einer großen Beule und beunruhigt darüber, daß der Attentäter von seinem Verhältnis mit Galeria wissen muß, macht sich Cessator am nächsten Tag auf den Weg zu seiner bisherigen Geliebten Lubentina, einer mit ihrer Gunst auch sonst freigebigen Sklavin der Balbilla. Sie rät Cessator, der ihr alles erzählt hat, Galeria aufzugeben und lieber Famigerata zu heiraten. In der Bibliothek trifft Cessator Salvius, der nicht verrät, was er dort will, dafür aber dunkle Andeutungen macht. Auch in dieser Nacht lieben sich Cessator und Galeria wieder auf dem Grabmal. Cessator fällt ein, daß Salvius durch eine unbedachte Bemerkung verraten hat, in seine Wohnung eingedrungen zu sein.

"Tolbiacum"

Cessator läßt sich am Morgen im Praetorium ein Pferd geben, um Salvius zu verfolgen, der nach Tolbiacum wollte. Er kann ihn aber nicht einholen und erfährt im einzigen Gasthof des Ortes, daß Salvius die Thermen aufgesucht hat. Im Bad findet Cessator ihn ermordet auf; der unbekannte Täter ist entkommen. Cessator erkundigt sich nach einem Vorfall während des Civilis-Aufstandes, als eine rebellische Cohorte im Ort von den Einwohnern der CCAA umgebracht wurde. Die Angreifer standen unter dem Kommando des Quintus Valens, der einzige Überlebende der Cohorte war Calpurnius Repentinus.

"Ein neuer Imperator"

Cessator durchschaut jetzt die Zusammenhänge und kehrt über Bonna in die CCAA zurück. Im Praetorium, wo große Aufregung herrscht, berichtet er Hadrianus seine Ergebnisse: Aulus Fortis ist der Mörder; er hieß ursprünglich Quintus Valens und änderte seinen Namen, als die Sache des Vitellius verloren war. Zufällig trat er in Geschäftsbeziehung mit seinem ehemaligen Gegner Repentinus, der vor kurzem hinter die Vorgänge gekommen ist und deswegen sterben mußte, weil Valens/Fortis befürchtete, Repentinus wollte seine toten Kameraden an ihm (mit dem Dolch Othos!) rächen. Nach dem Tod seines Herrn hat auch Salvius die Angelegenheit verstanden und wurde ebenfalls von Fortis umgebracht. Galerias Affäre mit Cessator war Teil eines Plans, diesen unschädlich zu machen.

Da inzwischen Nerva gestorben ist, kann Cessator seine Ergebnisse dem neuen Kaiser Traianus nur kurz vortragen. Der Imperator läßt Fortis ungeschoren und will ihn sogar zum Senator machen, hat ihn so aber unter Kontrolle. Cessator wird zum Bibliothekar der Thermenbibliothek der CCAA gemacht.

Bewertung

Der römische Kriminalroman steht in Deutschland anscheinend unter keinem guten Stern. Bisher ist kein Werk erschienen, das sich mit den Arbeiten von S. Saylor oder L. Davis messen könnte. Der kurze Roman von Rademacher enthält zumindest einige interessante Ansätze (so die Verwendung eines Bibliothekars als Held und Detektiv, wenn einem modernen Kollegen Cessators diese Empfindung gestattet ist). Die Grundsituation - Traian als präsumtiver Nachfolger Nervas, der junge Hadrian in seiner Begleitung (dazu siehe unten) - ist reizvoll, wird aber nicht recht ausgenutzt. Als Krimi ist die ganze Geschichte eher mittelmäßig und nicht frei von einigen konstruierten Unwahrscheinlichkeiten.

Der historische Gehalt weist unter den reich präsentierten Antiquaria diverse Versehen und Fehler auf, die wie hier immer dann besonders stören, wenn der Autor erkennbar seine Gelehrsamkeit vorführen will. Halbwegs gelungen sind noch die ekphrastischen Beschreibungen von Mosaiken, so dem bekannten Dionysosmosaik. Auch sonst werden archäologische Quellen herangezogen; die Beschreibung von Blussus und Menimane ist am Grabstein der beiden orientiert, der allerdings in Mainz gefunden wurde und zudem deutlich früher (Mitte des 1. Jahrhunderts) zu datieren ist. (Auch der ebenfalls inschriftlich bekannte Aiacius Mango gehört in eine frühere Zeit.)

Vielleicht soll es Cessators unzureichende griechische Bildung (aber bei einem Bibliothekar?) bloßstellen, wenn er von "Sophokles oder eine<m> der anderen großen Philosophen" (54) spricht; vermutlich liegt aber ein Versehen des Autors vor, der auch sonst eine gewisse Ignoranz oder zumindest Unbekümmertheit bei den litterae zeigt: weder die Historien des Tacitus (der etwa zur Zeit der Handlung Suffectconsul war) noch die Kaiserviten Suetons waren im Jahr 97 bereits geschrieben.

In der zu Beginn angesprochenen Verwendung von historischen Personen ist der Autor ähnlich sorglos: Hadrian war während Traians Aufenthalt in der CCAA nicht bei ihm, sondern diente als Militärtribun in der Legion XII Primigenia Pia Fidelis, die in Mogontiacum stationiert war; von dort reiste er mit der Nachricht vom Tod Nervas zu Traian. Mit Iulia Balbilla war er zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich noch gar nicht bekannt (vgl. A. R. Birley, Hadrian [1997], S. 38 und 63).

Die Namengebung ist mitunter falsch: Marcia Repentina soll die Frau eines Repentinus sein (67). Gladius wird als Neutrum verwendet (180); "in vinum veritas" ist unsinnig.

Es gibt einen schwachen anachronistischen Scherz, wie ihn sonst wohl nur H. D. Stöver machen würde: "wie der große alte Philosoph Lenus schon sagte: 'Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser'" (88). Das römische Köln ist vielleicht etwas zu großstädtisch und zu sehr an Rom orientiert geschildert. Die Beschreibung von Cessators Wohnung im obersten Stock eines Mietshauses und seine Flucht vor der aufdringlichen Vermieterin (14-18) erinnern an Lindsey Davis' Falco.

Es finden sich einige Druckfehler; so fehlt auch das Kapitel "Gerüchte" im Inhaltsverzeichnis. Gleichsam in Vorwegnahme der Rechtschreibreform stehen mitunter keine Kommata vor Nebensätzen.