John Maddox Roberts

Saturnalia

(New York : Minotaur, 1999)
Dt. Übers. u. d. T.: Tödliche Saturnalien. - München : Goldmann, 1994.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Im Vergleich mit den Romanreihen von Lindsey Davis und Steven Saylor hat sich die SPQR-Serie von John Maddox Roberts bisher recht schwer getan. Nach mehrjähriger Pause seit 1992 wurde sie in den USA erst 1999 mit der englischen Originalfassung des hier zu besprechenden Bandes fortgesetzt, während die Reihe in Deutschland seit dem ersten Band 1992 kontinuierlich erschienen ist, was angesichts der zweifelhaften Qualität der deutschen Übersetzung (siehe unten) verwundern mag. Offenbar aber haben Roberts' Romane sich mit der Zeit gesteigert, und Saturnalia/Tödliche Saturnalien kann so von der teilweise recht harten Kritik verschont bleiben, die für die ersten Bände angemessen erschien.

Roberts hat seinen erwähnten Autorenkollegen einen prinzipiellen Vorteil voraus: Sein Detektiv Decius Metellus gehört der römischen Oberschicht an und ermittelt demnach überwiegend direkt in den Kreisen, denen er angehört, während Davis' Falco und Saylors Gordianus sich mitunter in Sphären bewegen, die ihnen in der Realität nicht ohne weiteres zugänglich gewesen wären. (Alle drei machen freilich kein Hehl aus ihrer Verachtung für bestimmte Typen von Aristokraten.) Im vorliegenden Fall muß Metellus freilich das Gegenteil machen und in die Subkultur der Hexen und Wahrsagerinnen eindringen, was ihm einigermaßen glaubwürdig gelingt. Die differenzierte und im ganzen überzeugende Darstellung der römischen Religion ist besonders hervorzuheben: Bei allem Zynismus, den Decius in zahlreichen Bemerkungen an den Tag legt, zeigt er doch eine echt römische Scheu davor, bestimmte Verletzungen der religio zu tolerieren, und führt am Ende geradezu ein Reinigungsopfer durch, um die pax deorum wiederherzustellen.

An der Darstellung der politischen Hintergründe ist in diesem Roman relativ wenig auszusetzen (zu Details siehe unten). Die fünfziger Jahre des 1. Jahrhunderts waren eine Zeit, in der sich Loyalitäts- und Abhängigkeitsverhältnisse vielfach überkreuzten und die führenden Politiker ihre Anhänger und Gegner in der Tat mit plötzlichen Wendungen überraschten, so daß ein Handeln wie das Bestias prinzipiell möglich gewesen wäre. Daß seine Motivation für die mehrfachen Morde etwas indirekt erscheint, paßt immerhin zur ungewöhnlichen Wahl des Giftmordes.

Bei den politischen Vorgängen gibt es allerdings einen gewaltigen Schnitzer: Clodius war zum Zeitpunkt der Handlung in der zweiten Dezemberhälfte 59 nicht erst zum Tribunen des folgenden Jahres gewählt, er hatte das Amt bereits angetreten! Die ständigen Hinweise darauf, daß es für Metellus besser sei, vor Jahresbeginn Rom wieder zu verlassen, sind daher eigentlich unsinnig; seine »Nemesis« war schon in Amt und Würden.

Kriminalistisch steht dieser Fall trotz mancher offenkundiger Schwächen immerhin deutlich über einigen früheren Romanen von Roberts, vor allem dem zweiten und dritten Band der Reihe. Die gelegentlichen gelehrten Exkurse (z. B. über den Bau römischer Straßen, S. 9-11) sind insbesondere aus der Erzählsituation des greisen Metellus heraus verständlich und zudem eine wohlbekannte Sitte der antiken Historiographie. Manche Leser mögen den Ich-Erzähler etwas geschwätzig finden, doch ist seine Ironie der Zeit durchaus angemessen und keineswegs unpassender als die düstere Ernsthaftigkeit von Saylors Gordianus.

Es bleibt noch, die auch hier wieder recht lange Liste von Fehlern und Versehen zusammenzustellen, getrennt nach denen, die wohl schon im Original vorhanden waren, und den Zutaten durch Übersetzer, Lektor oder Redakteurin (deren Namen hier barmherzigerweise verschwiegen seien).

Zweifelhafte bzw. inkorrekte historische Einzelheiten, aufgeführt im wesentlichen in der Reihenfolge der Handlung:

Moderne Tagesangaben sind: »am neunten November« (S. 110), »Freitag« (S. 176, aber vielleicht Übersetzerfehler), »14. Mai« (S. 252, außerdem chronologisch unverständlich, da der Mord an Ariston nicht im Mai erfolgte). Die bei Roberts übliche Datierung nach varronischer Ära und Consuln am Schluß des Romans ist diesmal korrekt, nur müßte Caesar vor Bibulus genannt werden, da er der zuerst gewählte Consul war (davon abgesehen, daß Bibulus im Volksspott ganz übergangen wurde, vgl. S. 8).

Übersetzerfehler sind:

Der an drei Passagen (S. 5-24, 101-104, 120-121) mögliche Vergleich mit dem englischen Original erbrachte zahlreiche weitere Auslassungen, Fehler und Ungenauigkeiten: “of Greece” und “relatively” ausgelassen (S. 5), »Südostspitze« für “southern cape” (S. 5), »Ich hatte mich vorher nie für so wichtig gehalten« für “I had never before been considered that important” (S. 6; andere Leute, nicht Decius selbst, halten ihn offenbar für wichtig); Halbsatz weggelassen (S. 6, “a crammed cubicle” usw.); »durch die« statt »zur« (S. 8); »einer der bedeutendsten« statt “the most distinguished” (S. 8); “Caecus” fehlt (S. 10 oben); Halbsatz über den »goldenen Meilenstein« weggelassen (S. 10; der nachfolgende Satz wird dadurch in der Übersetzung unverständlich, der nächste kurze Satz fehlt wiederum ganz, ebenso wie ein weiterer auf den Meilenstein bezüglicher Satz S. 15; offenbar hat der Übersetzer wie schon durch das Weglassen eines Absatzes in The sacrilege eine sachliche Korrektur vornehmen wollen, da das Milliarium aureum tatsächlich erst unter Augustus errichtet wurde); Tempus geändert (»wußte« für “knows”, S. 10); “to rest ...” fehlt (S. 10); »sportbegeisterte Provinz« ist schief (S. 11, “heartland of the sport”, nämlich der Gladiatorenkämpfe); “Cisalpine” fortgelassen (S. 14, damit wird der Sinn des folgenden Absatzes beeinträchtigt); “of indistinguishable status” fehlt (S. 15); hat “as tight as my maiden aunts” nicht einen obszönen Nebensinn (S. 18)?; “at full extension” fehlt (S. 101); “brimmed” fehlt (S. 102); letzter Satz des 6. Kapitels weggelassen (S. 104);»jede Menge heiligen Boden« für “a plot of sacred ground” (S. 120, “plot” in “lot” verlesen).

Es finden sich zahlreiche Druckfehler, hier nur die sinnentstellenden bzw. besonders auffälligen: »Fronteius« (statt: Fonteius, S. 8, im Original korrekt), »er« (statt: ich, S. 19), »Eguus« (statt: Equus, S. 35), »symphathischen« (S. 65), »Lucillus« (statt: Lucullus, S. 85), »Cladius« (statt: Gladius, S. 102), »Metallus« (statt: Metellus, S. 122) und »metallische« (statt: metellische, S. 146), »Fulvia« (wohl statt: Fausta, S. 146), »Waffen« (statt: Waffe, S. 147), »Ich« (statt: Er, S. 158), »abklenkt« (S. 159), »Elysichen« (statt: Eleusischen, S. 160), »sie« (statt: sich, S. 213), »Quituns« (S. 247), »Pyhtias« (wohl statt: Pythias, S. 256). Freilich ist auch das englische Original nicht ohne einen geradezu erheiternden “typo”: “Appian Hate” (statt Gate, S. 4 = S. 8 der dt. Ausgabe).

Weitere Meinungen

Fred Mench, http://www.stockton.edu/~roman/fiction/roberts.htm:

“... The mystery part of the novel is not really in the whodunit tradition of setting you up to figure out the murderer yourself (or slapping your forehead at the end and exclaiming that you should have known), but there are no tricks pulled by the author either. ... Highly recommended for entertaining and instructive reading, but don't expect it to pursue some of the more serious questions that Saylor sometimes does in his rather darker and starker novels.”

Harriet Klausner, bei http://www.stockton.edu/~roman/fiction/roberts.htm:

“... The who- done-it is cleverly designed so that the audience will follow a fine mystery as well as vividly observing everyday life in Ancient Rome ...”

Kirkus reviews, vollständig zitiert bei www.amazon.com (dort auch Leserrezensionen, die überwiegend zu einem gemischten Urteil kommen):

“... Too talky, too thinly plotted, and Decius is a charmless rake for whom it's hard to work up much empathy ... Steven Saylor does ancient Rome better ...”

Erdmann Steinmetz, ekz-Informationsdienst 50/94:

»Wie in den früheren Romanen werden die sozialen und kulturellen Verhältnisse in Rom anschaulich dargestellt; die politischen Verhältnisse sind, 'wie im richtigen Leben', ein bisschen kompliziert, was die Empfehlung keineswegs einschränkt.«

Inhalt

1. Decius Caecilius Metellus wird aus dem »freiwilligen« Exil in Rhodos nach Rom zurückgerufen, weil sein Verwandter Metellus Celer plötzlich gestorben ist.

2. Die Atmosphäre in der Stadt, wo Caesar in diesem Jahr Consul ist, findet er seltsam verändert und erkundigt sich beim ägyptischen Botschafter Lisas nach der politischen Lage. Caesar hat, mit Unterstützung u. a. von Clodius, zahlreiche Gesetze erlassen und will jetzt für fünf Jahre als Statthalter nach Gallien gehen, wo es zu Kämpfen mit Germanen kommen dürfte.

3. Bei einem Familientreffen erfährt Metellus, warum man ihn zurückgerufen hat: Er soll beweisen, daß Celer von seiner Frau Clodia vergiftet worden ist.

4. Am nächsten Morgen erkundigt sich Decius zunächst bei einem Barbier nach der politischen Stimmung in der Stadt (Clodius ist zum Tribunen für das kommende Jahr gewählt worden, und sein Rivale Milo strebt das Amt im darauffolgenden Jahr an). Dann läßt er sich vom Arzt Asklepiodes über Giftmorde informieren, die oft nur schwierig nachzuweisen sind. Selbst der so besonnene Grieche ist beunruhigt über die Entwicklung der römischen Politik. Decius sucht die Wahrsagerinnen und Kräuterfrauen auf, die ihre Stände jetzt am Circus Flaminius haben. Furia, eine von ihnen, weigert sich, Metellus bei der Beschaffung von Gift zu helfen und sagt ihm eine düstere Zukunft voraus.

5. Nachdem Decius sich vom Schrecken erholt hat, besucht er ein Bad und wird dort von seinem Intimfeind Clodius überrascht, der sich aber recht versöhnlich gibt und Metellus befiehlt, den Mord an Celer aufzuklären, freilich, um die Unschuld seiner Schwester Clodia zu beweisen. Vor einem Essen bei ihr geht Decius zu Milo, der für die kommenden Auseinandersetzungen mit Clodius plant.

6. Auf dem Gastmahl bei Clodia, wo er verschiedene Politiker, darunter Crassus, den Aedilen Calpurnius Bestia und den jungen Marcus Antonius, aber auch Clodius' Verlobte Fulvia, trifft, erfährt Decius, daß es zahlreiche Verdächtige für einen Mord an Celer gäbe. Clodia selbst berichtet in einem Gespräch unter vier Augen vom Tod ihres Mannes, kann aber keine entscheidenden Hinweise geben. Auf dem Rückweg wird Metellus überfallen, kann die beiden Angreifer, die ihn auffordern, Rom zu verlassen, aber in die Flucht schlagen.

7. Am nächsten Tag erfährt Decius bei Archivrecherchen, daß die Kräuterfrau Harmodia, deren Namen Furia erwähnt hat, vor einigen Wochen am Circus Flaminius ermordet wurde; sie stammte wie die nächtlichen Angreifer aus dem Marserland. Der Bericht über ihren Tod ist verschwunden, offenbar auf Veranlassung des Aedilen Murena, aber Metellus kann mit dem Wächter sprechen, der Harmodia aufgefunden hat; dieser hat von einem geheimen Ritual der Hexen auf dem vaticanischen Feld gehört.

8. Abends findet das feierliche Opfer zur Eröffnung der Saturnalien statt, wobei Decius Gelegenheit hat, seiner Verlobten Julia von seinen Ermittlungen zu berichten. Als er sich von ihr getrennt hat, beschließt er, den Andeutungen des Wachmanns nachzugehen und das vaticanische Feld aufzusuchen. Tatsächlich wird Metellus dort Augenzeuge eines archaischen Rituals: Marsische Frauen und römische Aristokratinnen (darunter Clodia, Fulvia und Milos Verlobte Fausta Cornelia) feiern orgiastisch unter Leitung der Kräuterhexe Furia. Als zu Decius' Entsetzen ein junger Mann geopfert wird, nehmen ihn einige der marsischen Wächter gefangen. Furia fordert seinen Tod, doch Clodia rät, ihm nur die Augen auszustechen. Metellus kann seinen Bewachern (darunter auch ein Römer, dessen Stimme ihm bekannt erscheint) aber entkommen und nach Hause fliehen.

9. Am Morgen des Saturnalientages, an dem die Sklaven sich Freiheiten herausnehmen können und jedes normale Leben zum Erliegen kommt, berichtet Decius seinem Vater von den nächtlichen Erlebnissen. Später fragt er auch Cicero um Rat, der skeptisch ist, ob sich gegen die Anhänger des Kults viel unternehmen läßt. Metellus beschließt, seine Ermittlungen an dem Punkt fortzusetzen, an dem er Furia aufgesucht hat, und erhält dabei die Unterstützung Julias, die den Namen einer weiteren Kräuterfrau, Ascylta, erfahren hat. Die beiden können Ascylta trotz des Festtrubels finden. Die Frau nennt ihnen ein Gift, das man möglicherweise Celer verabreicht hat und das der Täter/die Täterin von Harmodia erhalten haben kann, die kurz vor ihrem Tod zu Reichtum gekommen war; vielleicht hat man sie als Mitwisserin oder Erpresserin zum Schweigen gebracht.

10. Decius muß am Abend seinem Vater bei der Bewirtung der Sklaven helfen; dieser berichtet, daß der Arzt Ariston, der Celer vor seinem Tod untersucht hat, ungefähr zur gleichen Zeit wie Harmodia tot aufgefunden wurde. Dann erscheinen drei Besucher, die Aedilen Visellius Varro und Calpurnius Bestia sowie der Consul und Pontifex maximus Caesar höchstpersönlich. Während alle dafür sind, gegen die beteiligten adligen Frauen vorzugehen, spricht sich vor allem Caesar gegen eine förmliche Untersuchung von Kult und Menschenopfer aus. Er schlägt vor, daß Decius (der über diese Aussicht nicht begeistert ist) in seinen Stab in Gallien eintritt, um ihn aus der Reichweite von Clodius zu nehmen.

Auf dem Rückweg bemerkt Metellus, daß er wieder verfolgt wird, und sichert sich zwei von Milos Leuten als Begleitschutz. Sie können einen Überfall von fünf Angreifern zurückschlagen.

11. Nach den Saturnalien kehrt das Leben erst allmählich in seine gewohnten Bahnen zurück, doch Decius ist schon früh aktiv und berichtet Asklepiodes von seinen Ermittlungen. Offenbar war es der Arzt Ariston, der das Gift von Harmodia besorgt hat. Metellus und Asklepiodes suchen seinen Helfer und Nachfolger Narcissus auf, der berichtet, daß Celer in den letzten Monaten vor seinem Tod von Ariston heimlich behandelt wurde. Offenbar hat er dabei das Gift erhalten, doch die Frage bleibt offen, wer Aristons Auftraggeber war. Decius spricht mit dem früheren Tribunen Flavius, der mit Celer eine heftige Auseinandersetzung hatte, bei der es um Celers geplante Statthalterschaft in Gallien ging, und dann mit dem Aedilen Murena, der den Inhalt seines verschwundenen Berichts über Harmodias Tod wiedergibt. Anschließend trifft er Julia, der er von seinen Ermittlungen berichtet. Sie gibt zu überlegen, ob der Täter vielleicht auch Clodia und indirekt Clodius schaden wollte.

12. Decius geht noch einmal zu Furia und versichert ihr, daß er gegen ihren Kult nichts unternehmen wird, aber den Römer zur Strecke bringen will, der beim Opfer dabei war und in dem er den Mörder Celers, Harmodias und Aristons vermutet. Furia will den Namen nicht nennen, gibt Metellus, von seiner Entschlossenheit beeindruckt, aber ein Amulett. Er hat auf dem Rückweg den entscheidenden Einfall und macht sich auf die Suche nach dem Sklaven, der den Bericht über Harmodias Tod abgeholt hat, im Auftrag eines Aedilen, aber nicht etwa Murenas, sondern Bestias. Wie sich herausstellt, war bei Calpurnius Bestia auch Ariston vor seinem Tod zu Gast gewesen. Decius vermutet, daß Bestia glaubte, im Interesse seines Patrons Pompeius zu handeln, wenn er Celer als Rivalen um die gallische Statthalterschaft beseitigte und zugleich Caesars Handlanger Clodius schädigte.

13. Metellus bereitet eine finale Auseinandersetzung vor: Er trifft sich mit Bestia während eines Gewitters allein auf dem Capitol. Der Aedil gesteht freimütig und stellt sich einem Kampf auf Leben und Tod. Er ist besser bewaffnet als Decius, der aber siegreich bleibt und den Frevler vom Tarpeiischen Felsen stürzt. Offenbar findet Metellus die Zustimmung Jupiters, denn das Gewitter hört auf.

17. Dezember 2001: Erste Veröffentlichung.
1. Januar 2007: Reihenfolge der Abschnitte umgestellt, Typographie.