Steven Saylor

Last seen in Massilia

New York : Minotaur, 2000;
New York : St. Martin’s paperbacks, 2001.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Last seen in Massilia ist der erste Band der Gordianus-Reihe, der vollständig außerhalb Italiens spielt und nicht zumindest am Anfang oder Ende der Handlung in Rom. Deswegen fehlen auch einige der gewohnten Gestalten wie der Rest von Gordianus’ Familie oder die inzwischen bekannte Cicero-Travestie. Atmosphärisch ist der Band sehr geschlossen und schildert die Situation einer belagerten Stadt durchaus überzeugend.

Er scheint dabei auch gut recherchiert zu sein (wie immer gibt Saylor im Nachwort einige Erläuterungen, u. a. zu den verwendeten, teil abgelegenen Quellen). Allerdings beruhte der Wohlstand von Massalia/Massilia nicht nur auf dem Handel mit Wein und Sklaven (S. 62); Saylor ist also auch hier auf das Thema der Sklaverei fixiert.

Einmal kommt die ungewöhnliche Namensform »Gordianii« (S. 241) vor, die aber zugleich auf ein Problem hinweist, wie nämlich die vollständige Namensform von Gordianus und seinen Familienangehörigen gelautet haben mag; ein Gentiliz wird in der Romanreihe nie genannt.

Auch wenn dieses Buch wie schon seine Vorgänger vor allem als historischer Roman verstanden sein will (Untertitel weiterhin »a novel of ancient Rome«), gibt es doch auch eine kriminalistische Handlung, die Saylor aber nicht übermäßig verwickelt gestaltet hat. Fast sofort vermutet man, daß der Wahrsager in Wirklichkeit der verkleidete Meto ist, und daß sich unter Cydimaches Schleier eine ganz andere Person verbergen kann, ahnt der aufmerksame Leser auch recht schnell. »Nothing in this place is what it appears to be« (S. 13) ist das Prinzip des Romans; am Schluß ist der Sündenbock nicht tot (was bedeutet dies für Massilia?), und Gordianus, der ausgezogen ist, um ein Mitglied seiner Familie zu retten, kehrt tief enttäuscht nach Rom zurück, allerdings mit Hieronymus als potentiellem neuen Familienzuwachs.

Inhalt

1. Gordianus ist mit seinem Schwiegersohn Davus auf dem Weg nach Massilia, um herauszufinden, ob sein Sohn Meto dort tatsächlich getötet wurde, wie eine Nachricht angab. Sie kommen vom Weg ab und stoßen auf einen alten Tempel, der von zwei Soldaten bewacht wird, die zu der Armee gehören, die im Auftrag Caesars Massilia belagert. Auch ein geheimnisvoller Wahrsager, »Rabidus«, hält sich dort auf, der weiß, weswegen Gordianus unterwegs ist.

2. Die Soldaten bringen Gordianus und Davus ins Lager und schließlich zum Kommandeur Trebonius, der Meto kennt, ihn aber wie alle anderen für einen Verräter hält; nur Gordianus weiß, daß sein Sohn als Spion für Caesar gearbeitet hat. Trebonius legt Gordianus nahe, nach Rom zurückzukehren.

3. Nachts kann Gordianus nicht schlafen und beobachtet vom Lager aus das belagerte Massilia, in Gesellschaft des Ingenieurs Vitruvius, der einen Geheimgang zur Erstürmung der Stadt vorbereitet.

4. Gordianus entschließt sich, zu versuchen, über den Geheimgang in die Stadt einzudringen. Er und Davus mischen sich unter die Sturmtruppen, die im Gang auf den Durchbruch warten.

5. Plötzlich dringt Wasser ein, das die Soldaten fortreißt oder ertränkt. Davus und Gordianus können sich durch den überschwemmten Gang retten.

6. In einem Becken innerhalb der Stadtmauern aufgetaucht, werden sie von einigen alten Männern bedrängt, aber von einem Einwohner, Hieronymus, gerettet, der sie mit nach Hause nimmt.

7. Hieronymus ist von den Massiliern zum Sündenbock geweiht worden, der das der Stadt drohende Unheil auf sich nehmen soll, wenn er durch Sturz von einem Felsen geopfert wird; bis dahin lebt er privilegiert. Vom Dach seines Hauses aus beobachten Gordianus und Davus, wie eine Frau vom Opferfelsen stürzt – oder von einem Mann gestürzt wird.

8. Apollonides, der Erste Timuch der Stadt, und der römische Proconsul Domitius Ahenobarbus erscheinen, um festzustellen, was es mit den in die Stadt gedrungenen Männern auf sich hat. Gordianus berichtet, wie und warum sie nach Massilia gekommen sind. Domitius will nicht sofort sagen, was mit Meto geschehen ist, sondern bringt die beiden zu Milo.

9./10. Der verbannte Politiker lebt sehr verwahrlost, berichtet aber, wie er Meto als Spion Caesars enttarnt hat. Meto versuchte zu fliehen, versank aber, wohl verwundet, im Meer.

11. Tief getroffen, bleibt Gordianus im Haus des Hieronymus. Der Gallier Arausio sucht ihn auf, der vermutet, daß seine verschwundene Tochter Rindel die Frau war, die vom Opferfelsen gestürzt ist. Sie war unglücklich in Zeno, den Sohn des Apollonides, verliebt, der sie vielleicht in den Abgrund gestürzt hat.

12. Noch zwei weitere Besucher kommen, die Römer Publicius und Minucius, die dem toten Catilina immer noch die Treue halten. Sie wollen Gordianus etwas zeigen und bringen ihn zum verbannten Gaius Verres, dessen Haus voller Kunstwerke ist.

13. In einer unterirdischen Schatzkammer bewahrt Verres die Adlerstandarte Catilinas auf, an die sich Gordianus von seinen Treffen mit dem Umstürzler erinnern kann. Publicius und Minucius glauben, daß Caesar Massilia belagern läßt, um dieses Feldzeichen zu erlangen. Als sie berichten, daß sie Meto nach seinem mutmaßlichen Tod gesehen haben, ist Gordianus tief erschüttert, um so mehr, als er ihnen kaum glauben kann, denn sie geben an, auch Catilina oder dessen Lemur gesehen zu haben.

Auf dem Rückweg glaubt Davus, daß sie von zwei Männern verfolgt werden, und Gordianus meint in einer einer verhüllten Gestalt den Wahrsager zu erkennen, den sie vor der Stadt getroffen haben.

14. Auf die Nachricht, daß Schiffe des Pompeius in der Nähe eingetroffen sind, läuft die Flotte Massilias zu einem Gefecht mit der Caesars aus. Gordianus nützt den Umstand, daß alle Einwohner sich auf das Meer konzentrieren, aus, um mit Davus auf den verbotenen Opferfelsen zu klettern.

15. Dort gesellt sich Hieronymus zu ihnen, der den Felsen eigentlich erst am Tag seiner Opferung besteigen dürfte. Zusammen warten sie auf die Rückkehr der Flotte, doch nur ein Schiff erscheint, schwer angeschlagen, während die Flotte des Pompeius sich nicht am Kampf beteiligt hat.

Beim Abstieg vom Felsen glaubt Gordianus wieder den verhüllten Wahrsager zu sehen. Eine aufgebrachte Menge sammelt sich und gibt dem »Sündenbock« Hieronymus die Schuld an der Niederlage.

16. Eine bewaffnete Eskorte bringt Gordianus, Davus und Hieronymus zum Haus des Apollonides; sie kann den Mob nur mit Mühe zurückhalten. Der Erste Timuch nimmt die drei praktisch in Schutzhaft. Immerhin können Gordianus und Davus an einem Gastmahl teilnehmen, das Apollonides für die vornehmsten Massilioten und Römer gibt.

17. Sein Schwiegersohn Zeno berichtet vom Gefecht gegen Caesars tapfer kämpfende Soldaten. Als er seinen Vater wegen der Entscheidung für Pompeius kritisiert, kommt es zum Streit, und Zeno verläßt mit seiner mißgestalteten und deswegen stets verschleierten Frau Cydimache das Fest. Gordianus folgt ihnen heimlich und stellt Zeno zur Rede, der humpelt wie der Offizier, den er bei der gefallenen Frau auf dem Felsen gesehen hat und der sich dort verletzt hat. Er zeigt Zeno einen Ring, den Hieronymus auf dem Felsen gefunden hat – gehörte er Rindel? Bevor Zeno sich äußern oder Gordianus etwas antun kann, flieht er beim Erscheinen von Davus.

18. Gordianus und Davus überlegen, ob Zeno wirklich ein kaltblütiger Mörder ist. Sie müssen wie Hieronymus bei Apollonides bleiben, denn der Mob hat das Haus des Sündenbocks niedergebrannt. Der Türwächter des Timuchen bestätigt, daß Zeno seit dem Tag von Gordianus’ und Davus’ Ankunft hinkt.

19. Die beiden Römer suchen das Haus Arausios und bemerken dabei, daß sie wieder von zwei Männern verfolgt werden. Sie stellen dem Gallier einige Fragen, aber er kennt den Ring nicht.

20. Über dem gefluteten Tunnel bricht ein Stück der Stadtmauer zusammen. Apollonides will gegen den Rat seines Schwiegersohns die Gefahr durch einen Ausfall abwenden. Gordianus zeigt ihm den gefundenen Ring – er gehört Cydimache!

21. Gordianus will Apollonides in dessen Haus die Zusammenhänge erklären, wie er sie jetzt durchschaut, und läßt auch Arausio und dessen Frau holen. In Cydimaches Zimmer ist eine verschleierte Gestalt – aber wer verbirgt sich unter dem Schleier? Gordianus soll es enthüllen, aber zu seinem riesigen Erstaunen findet er nicht Rindel (die hinter einem Vorhang versteckt ist, bis Zeno sie hervorruft), sondern Meto!

Apollonides und Gordianus unterhalten sich über die Vorgänge. Apollonides hat Hieronymus als Sündenbock ausgesucht, weil sein Vater am Ruin von dessen Familie schuld war. Gordianus soll herausfinden, ob Zeno Cydimache umgebracht hat.

22. Zeno berichtet, daß er trotz seiner Liebe zu Rindel Cydimache geheiratet hat, um in die Führungsschicht der Stadt aufzusteigen. Die Gallierin ließ ihn aber nicht los, und sie setzten ihre Affäre fort. Als Cydimache die beiden überraschte, lief sie zum Opferfelsen, um sich in die Tiefe zu stürzen, Zeno ihr hinterher, weil er sie aufhalten wollte. Doch während sie auf dem Felsen miteinander rangen, entschloß sich Zeno angesichts seiner entstellten Frau, sie in den Tod zu stürzen. Rindel nahm fortan heim den Platz der Toten ein. Zu dieser Zeit erschien auch der totgeglaubte Meto wieder bei Zeno, als Wahrsager verkleidet. Fortan trat auch Meto zeitweise in Cydimaches Kleidung auf und spionierte so getarnt weiter für Caesar.

23. Endlich kann Gordianus mit Meto sprechen, empfindet aber keine Glücksgefühle. Sein Adoptivsohn ist stolz auf seine schauspielerischen Leistungen, mit denen er zum bevorstehenden Erfolg Caesars beigetragen hat. Er verkehrte schwimmend zwischen der Stadt und der Belagerungsarmee, wo nur Trebonius von seiner Mission wußte. Gordianus ist enttäuscht, daß Meto ihn selbst bei der direkten Begegnung vor der Stadt im Unklaren ließ. Das Gespräch wird unterbrochen, als ein weiteres großes Stück der Stadtmauer einstürzt.

24. Im Haus des Apollonides und der ganzen Stadt herrscht Verwirrung angesichts der nun unabwendbaren Niederlage. Domitius will mit einem Schiff aus Massilia fliehen. In dieser unheilvollen Situation soll der Sündenbock seine Bestimmung erfüllen. Gordianus versucht, Hieronymus davon abzuhalten, sich opfern zu lassen, aber ohne Erfolg. Er muß miterleben, wie der Sündenbock von Apollonides und den Priestern auf den Opferfelsen gebracht wird. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung sieht Gordianus Hieronymus in die Tiefe stürzen, Apollonides mit ihm.

25. Am nächsten Tag marschieren die Römer feierlich in die Stadt ein. Massilias Unabhängigkeit ist vorüber, wie Caesar erklärt. Als Meto ihm die Standarte Catilinas bringt, erblickt Caesar Gordianus und läßt ihn heranrufen. Gordianus wirft Meto vor, nur an sich selbst zu denken und Gefallen an Täuschung und Verrat zu finden. Er verstößt seinen Adoptivsohn.

26. Zu Schiff verlassen Gordianus und Davus Massilia. Zu ihrer großen Überraschung ist auch Hieronymus an Bord. Apollonides hat ihn verschont und Zeno als Sündenbock getötet, um ihn für den Tod Cydimaches zu bestrafen, nach dem und dem Fall Massilias auch Apollonides nicht mehr weiterleben wollte.

Juli 2004: Erste Veröffentlichung.
23. Juni 2007: Reihenfolge umgestellt, Tippfehler korrigiert.
4. Januar 2015: kleine Ergänzungen und Korrekturen.