Susanne Scheibler

... und wasche meine Haende in Unschuld

München : Goldmann, 1987

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

I. Aus seinem Rückzugsort Capri kehrt der alte Kaiser Tiberius nach Rom zurück und wird vom Praetorianerpraefecten Seianus sowie seinem Großneffen Caligula empfangen. Der Praetorianertribun Pontius Pilatus hat erfahren, daß er zum Praefectus Iudaeae befördert werden soll. Er ist außerdem im Begriff, die junge Procula zu heiraten und ihr zuliebe seine langjährige Geliebte Flavia aufzugeben, die sich Hoffnungen gemacht hat, Pilatus' Frau zu werden. Bei einem Gespräch mit Tiberius, dessen Mutter Livia und Seian kann Pilatus seine Eignung zum Praefecten darlegen. Procula soll nach der Heirat Pilatus nach Iudaea begleiten; Flavia sucht Trost in einem Gastmahl, bei dem Agrippina und ihr Sohn Nero Caesar zugegen sind.

II. Pilatus und Procula laufen zu Schiff in Caesarea ein. Sie werden empfangen vom alten Praefecten Gratus und einer Abordnung des jüdischen Sanhedrin unter Führung des Hohepriesters Kaiphas sowie seines Vorgängers Annas. Auch eine Gesandtschaft des Tetrarchen Herodes Antipas erscheint; Pilatus bekommt erste Einblicke in die verwickelten Verhältnisse Iudaeas.

Die junge Esther, Tochter des Bauern Ephraim, wünscht sich, gegen die Römer kämpfen zu können. Sie ist unzufrieden mit der zögerlichen Haltung ihres quasi-Verlobten Daniel, der wie viele andere Juden auf den Messias wartet. Daniel berichtet, wie er den Täufer Jochanan am Jordan gesehen hat und einen Mann, den Jochanan als den Erwarteten bezeichnete. Als Pilatus eine Cohorte mit Kaiserbildnissen an den Standarten nach Jerusalem verlegt, erregen sich die Juden über diese Verletzung ihres religiösen Gesetzes. Tausende ziehen nach Caesarea zum Statthalter, darunter Ephraim und sein Sohn Zachäus. Pilatus bleibt zunächst hart und läßt die Juden lange warten. Als er versucht, sie mit Gewalt zu vertreiben, kommt es zu einem Blutbad, bei dem 64 Juden sterben, unter ihnen Ephraim und Zachäus. Über den Tod von Vater und Bruder verbittert, beschließt Esther, aktiv den Kampf gegen die Römer zu unterstützen. Sie nimmt Kontakt auf mit dem berüchtigten Banditen Jeschua bar-Abba.

III. Pilatus und Procula sind in Jerusalem zu einem Gastmahl beim Tetrarchen Herodes Antipas geladen. Auch sein nichtherrschender Bruder Herodes Philippus sowie dessen ehrgeizige Frau Herodias und ihre Tochter Salome sind zugegen.

Nach einem Aufenthalt in Rom läßt sich Herodias von Philippus scheiden und heiratet Antipas. Pilatus errichtet eine Tiberius geweihte Basilica in Caesarea und plant eine Wasserleitung für Jerusalem, die er aus dem Tempelschatz finanzieren will. Procula ist schwanger und beschäftigt sich mit dem jüdischen Gott, von dem sie sich Hilfe in ihrer spirituellen Leere verspricht. Mit Pilatus ist sie Gast des Antipas auf der Festung Machärus; Salome tanzt vor ihrem Stiefvater und verlangt als Belohnung den Kopf des von Antipas gefangengehaltenen Täufers Jochanan. Auf der Rückreise setzen bei der vom Geschehenen erschütterten Procula die Wehen ein; das Kind kommt tot zur Welt.

IV. Esther lebt als Geliebte des bar-Abba in dessen Lager in Galiläa. Dort spürt Daniel sie auf und versucht, sie zur Rückkehr zu ihrer gramgebeugten Mutter zu bewegen, doch Esther kann sich nicht von bar-Abba lösen, dem sie verfallen ist.

In Caesarea trifft aus Rom der junge Tribun Tarquila ein, der nach Iudaea strafversetzt ist, weil er Anhänger der Agrippina war, die im Machtkampf Seianus unterlegen ist. Tarquila verliebt sich in Procula und versucht, sie auf einem Ausflug zu verführen. Procula, vom Verlust ihres Kindes schwer getroffen und erst von Tarquila wieder aufgemuntert, bleibt nur mit Mühe standhaft. Im samaritanischen Sichar trifft Procula einen Galiläer, der sich später als der Mann herausstellt, den viele für den Messias halten; auch Proculas Dienerin Ruth ist von ihm beeindruckt.

V. Esther geht mit bar-Abba und einigen seiner Leute nach Jerusalem, wo auch Pilatus einzieht. Jehuda aus Kariot, ein Anhänger des Galiläers Jeschua, nimmt Kontakt mit bar-Abba auf. Dieser nimmt ihn nicht ernst und schürt einen Aufruhr gegen den Procurator, der die Tempelabgabe für die Wasserleitung verwendet hat. Esther protestiert, und bar-Abba sticht sie nieder. Man findet sie schwerverletzt unter den Opfern der gewaltsamen Niederschlagung des Aufruhrs; der Arzt Zachäus pflegt Esther, bis sie von Daniel und ihrer Mutter wieder nach Hause geholt wird. Esther hat durch das Erlebte ihr Ungestüm verloren, weigert sich aber aus Scham, auf Daniels Werben einzugehen. Dieser hat Jeschua getroffen, zu dem er auch Esther und ihre Mutter mitbringt. Esther ist fast gegen ihren Willen vom Galiläer beeindruckt, der verkündet, daß den Sündern verziehen werden kann.

VI. Pilatus erhält in Jerusalem überraschenden Besuch von Flavia. Sie hat einen fünfjährigen Knaben mitgebracht, ihren und Pilatus' Sohn Rufus. Pilatus freut sich über den unerwarteten Nachwuchs und nimmt sein Verhältnis mit Flavia wieder auf, während Procula in Antiochia ist. Diese versucht, Pilatus' anscheinend abgeflaute Zuneigung zu ihr wieder zu entfachen und wird erneut schwanger wird, was sie aber vorerst geheimhält. Pilatus entzieht dem jüdischen Rat das Recht, Todesurteile zu vollstrecken. Er weigert sich, gegen den Galiläer Jeschua vorzugehen, den die faszinierte Procula aufsucht, weil sie sich Hilfe bei ihrer gefährlichen Schwangerschaft verspricht. Sie wagt es aber nicht, ihn anzusprechen. Kurz danach hat Procula erneut eine Fehlgeburt und überlebt nur knapp. Als sie sich wieder erholt hat, erfährt sie von Flavia, daß ihr Mann einen Sohn hat und sie betrügt. Sie beschließt, Pilatus zu verlassen, und läßt sich von ihm auch nicht umstimmen, als er ihr versichert, daß er sich längst von Flavia getrennt hat.

VII. Esther erfährt, daß bar-Abba von den Römern gefangen wurde. Einer seiner Leute setzt das Haus ihrer Familie in Brand, nachdem sie sich weigert, Geld für bar-Abbas Befreiung zu geben. Daniel bringt Esther und ihre Mutter bei seiner Schwester in Jerusalem unter, wo man viel vom Nazarener Jeschua spricht.

In Rom muß Seianus erleben, wie Tiberius ihn nicht zum Mitregenten erhebt, sondern entmachten und hinrichten läßt. Auch gegen Seians Günstlinge wird vorgegangen. Procula beschließt, Pilatus in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen, und kehrt nach Iudaea zurück. Pilatus ist überglücklich, sie zu sehen, und Tiberius läßt ihn in seiner Stellung. Der hohe Rat bespricht Maßnahmen gegen Jeschua, der eine verurteilte Ehebrecherin vor der Hinrichtung bewahrt hat. Pilatus und Procula kommen zum Passahfest nach Jerusalem. Procula trifft Tarquila wieder und gibt sich ihm fast hin. Pilatus verurteilt bar-Abba zum Tod und erfährt, daß der jüdische Rat auch den Nazarener Jeschua hat festnehmen lassen. Procula hat einen erschreckenden Traum über sein Schicksal.

VIII. Jesus wird vom Rat beschuldigt, sich für den König der Juden erklärt zu haben, und vor das Tribunal des Pilatus geführt. Der Procurator soll ihn noch vor dem Passahfest kreuzigen lassen, zweifelt aber, ob er recht daran tut. Jesus beeindruckt ihn sehr, auch als er sich weigert, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Pilatus läßt ihn zu Herodes Antipas bringen, doch der Tetrarch von Galiläa will nicht über das Schicksal seines Untertanen entscheiden und schickt ihn zu Pilatus zurück. Dieser versucht, Jesus zu retten, doch der vom Rat aufgestachelte Mob verlangt lieber die Freilassung des bar-Abba. Pilatus gibt nach und wäscht seine Hände in Unschuld.

Esther und Daniel sind Zeuge, als Jesus von Nazareth zusammen mit zwei Leuten bar-Abbas zur Hinrichtung geführt wird. Sie bleiben auf Golgota bis zu Jesu Tod. Daniel, der bis zum Schluß damit gerechnet hat, daß der Messias sich zu erkennen geben würde, ist fürchterlich niedergeschlagen, doch Esther erkennt, warum Jesus Qualen und Tod auf sich genommen hat.

Auch Pilatus und Procula sind deprimiert. Zwei Tage später wird bekannt, daß Jesu Grab leer ist, obwohl Leute des Kaiphas es bewacht haben. Pilatus läßt sie befragen und erfährt, daß ein geheimnisvolles Licht erschienen ist; er ist sich nicht mehr sicher, das Richtige getan zu haben.

IX. Pilatus ist beunruhigt, weil die Anhänger Jesu nach wie vor an seine Auferstehung glauben. Kaiphas und der Rat gehen gegen sie vor, doch immer mehr glauben an den Nazarener. Pilatus läßt die inzwischen verheirateten Daniel und Esther zu sich kommen, um sie über ihren Glauben zu befragen. Er hofft, seine geheimen Zweifel damit zerstreuen zu können, doch wird er vielmehr immer unsicherer. Bei den Samaritanern tritt ein Prophet auf, der sie zum Aufruhr anstiftet; Pilatus geht gewaltsam dagegen vor. Diesen Vorfall machen ihm seine Gegner beim greisen Kaiser zum Vorwurf, der Pilatus abberufen und zum Prozeß nach Rom kommen läßt.

X. Tiberius liegt todkrank in seiner Villa in Misenum. Caligula feiert bereits seinen Herrschaftsantritt, doch schleppt der Kaiser sich noch einmal in den Ballsaal. Der Praetorianerpraefect Macro tötet ihn. Pilatus trifft am nächsten Morgen ein, um sich vor dem Kaiser zu verantworten. Caligula schickt ihn vorerst fort. Nach einiger Zeit läßt der neue Kaiser bei einem Wagenrennen in Rom Pilatus und Procula zu sich kommen. Pilatus wird von einer samaritanischen Gesandtschaft angeklagt und kann sich nicht rechtfertigen; Caligula verbannt ihn nach Jerusalem. Nach einer schweren Krankheit hält der Kaiser sich für einen Gott. Procula ist gar nicht einmal unglücklich beim Gedanken, nach Jerusalem zurückzukehren.

XI. Pilatus und Procula kehren nach Jerusalem zurück, wo sie zurückgezogen leben. Der Centurio Cornelius Varro, Pilatus' früherer Untergebener, ist Anhänger des Christenglaubens geworden. Er nimmt Procula immer öfter zu den Versammlungen der Gemeinde mit, während Pilatus erschütternde Nachrichten aus Rom über Caligulas Wahnsinn erhält. Bei den Christen trifft Procula auch auf den ebenfalls bekehrten Tarquila, ferner auf Esther und Daniel. Pilatus erkrankt schwer, genest aber wieder nach einer Nacht, die der Christ Simon Petrus an seinem Bett verbracht hat. Caligula plant, sein Abbild im Tempel von Jerusalem aufzustellen. Die Juden sind wütend und drohen mit Aufstand. Pilatus schreibt an den Kaiser und hält ihm all seine Verfehlungen vor. Mit dieser letzten mutigen Tat, bevor er Selbstmord begeht, versucht Pilatus seine Beteiligung an der Hinrichtung Jesu wenigstens ein wenig gutzumachen.

Bei einem Gastmahl in Rom erbittet Herodes Agrippa von Caligula, den Befehl zur Schändung des Tempels rückgängig zu machen.

Nach Pilatus' Beerdigung kehrt Procula zu Petrus und Marcus Tarquila zurück.

Bewertung

Über weite Passagen vor allem in der ersten Hälfte kann man den Roman durchaus als recht interessant bezeichnen. Je näher die Erzählung aber den bekannten Ereignissen der Evangelien kommt, desto langweiliger wird sie, besonders deutlich in Kap. VIII, das eigentlich keine Aspekte bringt, die über die biblische Passionsgeschichte hinausgehen. (Hier findet sich die formale Besonderheit, daß vom ersten Erscheinen Jesu vor Pilatus bis zu seinem Tod (S. 382 bis 407) im Praesens erzählt wird.)

Die letzten Kapitel fallen noch stärker ab, vor allem weil der konventionell christliche Aspekt überstark wird. Dieser fünfhundertste Aufguß von The Robe oder Quo Vadis kann in keiner Weise überzeugen. Wie man fast schon erwartet hat, werden alle wichtigen Personen auf einmal zu Christen.

Die "römische" Handlung um Tiberius und Caligula ist in den Rest der Erzählung kaum integriert. Caligula erscheint zum letzten Mal, als er den Befehl zur Aufstellung der Statue zurücknimmt; seine unmittelbar bevorstehende Ermordung, die durch die mehrfache Erwähnung des Chaerea vorbereitet zu werden scheint, wird nicht mehr geschildert. Und während Esther in der ersten Hälfte des Buches über weite Passagen im Vordergrund stand und zumindest phasenweise zu einer interessanten Person wurde, tritt sie ab der Passion Jesu vollkommen zurück.

In den politisch-rechtlichen Antiquaria ist die Autorin überraschend genau, aber es gibt die anscheinend unvermeidlichen Versehen: "Princeps senatus", als wäre es ein offizieller Titel des Tiberius (12), "Erster Minister" als Bezeichnung für Seian (13), equites illustriores als Ausdruck für den equester ordo. Pilatus wird zwar meist in Analogie zur bekannten Inschrift aus Caesarea als Praefectus Iudaeae bezeichnet, es findet sich aber auch der von Tacitus gebrauchte Titel Procurator (z. B. 85; 60 für Gratus) oder praefectus Iudaeorum (65). Falsch sind auch "Präfekt von Ober- und Unterägypten" (61) und ein "Präfekt" von Syrien (442, 463). Cassius Chaerea war nicht Praefect, sondern Tribun der Praetorianer.

Pilatus hatte als equestrischer Statthalter natürlich keinen einzigen Lictor, geschweige denn zwölf (99); Aedilen waren keine Diener, die den Weg freiräumten (195).

Der Roman beginnt im Jahr 25 oder 26, also noch vor Tiberius' Rückzug auf die Insel Capri, der freilich schon vorausgesetzt wird. Durch die verbreitete, aber falsche Rechnung mit einem Jahr "0" läßt die Autorin Tiberius 81 Jahre nach Caesar sterben, also im Jahr 38 n. Chr. (451)! Zum Zeitpunkt von Seians Sturz im Oktober 31 zählte Tiberius nicht die 32., sondern schon die 33. trib. pot. (348).

Das Pantheon liegt nicht auf einem Hügel, sondern auf dem Campus Martius, und seine heutige Gestalt mit der zentralen Kuppel erhielt es erst unter Hadrian (44 ff.). "Forum magnum" ist kein bekannter Ortsname in Rom (469).

Rom importierte nicht nur in Notzeiten Getreide aus Ägypten (216).

Offizielle Dokumente wurden nicht nach a.u.c. datiert (350, 358) und nur in seltenen Fällen nach Suffectconsuln (350). Daß Tiberius in einem Schreiben an einen Praefecten als einzigen Titel den des Pontifex maximus erwähnt, ist ungewöhnlich (357).

In der Namengebung (deren Grundprinzipien der Autorin durchaus bewußt sind, vgl. S. 19) gibt es zahlreiche Unsicherheiten ("Fabius Quintus", 379). Vor allem die Cognomina wirken sehr unantik: "Imola" (24), "Licinus Macallus" (30), "Cavona", "Virola", "Disella", "Tarquila", "Cipolo". Das Cognomen des cos. suff. von 31 lautet (Fulcinius) Tiro und nicht "Trio" (350). Ziemlich durcheinander sind auch die Namen der ordinarii von 32, Cn. Domitius Ahenobarbus und L. Arruntius Camillus Scribonianus (358). "Qumran" ist ein moderner Ortsname (83); in "Dyrrachium" (457) fehlt ein "h".

Es gibt einige Lateinfehler: lex crimen laesae majestatis (22), Castra Praetoria und acta diurna als Femininum Singular (25, 470), Porticus als Masculinum (117) und mit italienischem Plural (196), cretinus ("Kretin").

Anachronistische Ausdrücke sind "Musselin" (25 u. ö.), "Diwan" (285), "Regisseur" (378).

Daneben seien einige Druckfehler genannt: "jungendlich" (28), "müsen" (74), "Ceasarianis" in der sonst korrekt (wenn auch natürlich ohne Kennzeichnung der jetzt verlorenen Partien) wiedergegebenen bekannten Pilatus-Inschrift aus Caesarea (142), "ammona" (143), "Sei" (284), "Cesarea" (423).