Hans Dieter Stöver

Quintus geht nach Rom

München : dtv, 1987; 9. Aufl. 1994

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Stövers erstes Jugendbuch zeigt alle Eigenschaften, die auch schon seine früheren Bücher »ausgezeichnet« haben, aus denen zahlreiche Motive und Einzelheiten übernommen sind. Es sei daher an dieser Stelle auch auf die Besprechungen von Tödliche Dosis und Report aus der Römerzeit verwiesen.

Die Krimihandlung ist nicht allzu verwickelt, aber wohl trotzdem der beste Teil des Buchs. Strukturell gibt es einige Ähnlichkeiten zur C.V.T.-Reihe, an die dieses Buch direkt anknüpft, indem Volcatius und sein großrednerischer Freigelassener Alexander einen Gastauftritt haben.

Der Roman weist große beschreibende Passagen auf, die ihm einen stark didaktischen Ton verleihen, deutlich z. B. im Kapitel »Die Stadt«, aber auch an zahlreichen anderen Stellen, wenn mit oft fadenscheinigen Vorwänden eine antiquarische Einzelheit erläutert wird. Ich weiß nicht, wie ein jugendlicher Leser, für den das Buch ja schließlich gedacht ist, auf diese meist nicht mit der Handlung zusammenhängenden Stellen reagiert.

Überhaupt hat Stöver völlig gegen die Gewohnheiten der neueren Jugendliteratur geschrieben. Nicht nur treten keine Mädchen auf, die als eigenständige Persönlichkeiten erscheinen (Herennia ist durchweg krank, Calpurnia bleibt am Schluß völlig stumm, Quintus' ältere Schwester Cossinia wird zwar mehrfach positiv erwähnt, taucht aber auch nur am Rande auf); auch sonst ist Stövers Frauenbild einmal mehr sehr konventionell.

Ferner erscheint die positive Grundstimmung des Romans geradezu befremdlich. Die für den Großteil der Bewohner wahrlich nicht angenehmen Lebensverhältnisse im alten Rom werden von der Familie der Cossinier für sich in wenigen Tagen enorm verbessert. Am Schluß hat jeder von ihnen Arbeit oder zumindest Freundschaften gefunden. Heute erscheinende historische Jugendbücher schildern dagegen zumeist sehr viel ausführlicher und besser die schweren Bedingungen, unter denen früher gelebt wurde; Stövers Darstellung ist dagegen ahistorisch zu nennen (er scheint Anhänger der Denkschule »Die alten Römer waren ja genau so wie wir« zu sein).

Zumindest die historischen Realien stimmen zumeist, wenn sie auch, wie schon erwähnt, arg penetrant dargeboten werden. An Versehen und Fehlern sind mir nur aufgefallen:

Sprachlich hat Stöver sich für sein erstes Jugendbuch kaum umgestellt; auch die C.V.T-Romane waren in dieser Hinsicht sehr anspruchslos. So findet sich auch hier z. B. der charakteristische »Kasinoton« (Sätze ohne Subjekt), ohne jede Rücksicht auf den jeweiligen Sprecher.

Ich glaube nicht, daß ich ein solches Machwerk irgend einem jungen Menschen empfehlen könnte. Es schildert die »alten Römer« nicht in ihrer Fremdheit, sondern auf recht unbeholfene Weise als Menschen von heute, bei denen nur ein paar Einzelheiten (Feiertage, Herstellung von Büchern) anders zu sein scheinen als bei uns. Dem historischen Jugendbuch erweist Stöver einen Bärendienst.


Nachtrag Juni 2001: Die aufgezeigten Defizite der Stöverschen Jugendbücher tun ihrem Erfolg bei jungen Lesern offenbar keinen Abbruch, denn außer zwei Fortsetzungen des Quintus-Bandes sind weitere Bücher erschienen. Einige davon, darunter auch Quintus geht nach Rom, werden als Lektüre im Schulunterricht eingesetzt und finden bei jungen Lesern auch in diesem Kontext eine wohlwollende Aufnahme, wie z. B. ein Artikel in der Zeitschrift Pädagogik zeigt, aus dem einige Äußerungen von Schülerinnen und Schülern einer 7. Klasse zitiert seien:[[2]]

»Die Spannung, die hier vorkam[,] war kaum zu übertreffen und sie hat mich richtig gefesselt. [...] Ich konnte meine Augen gar nicht mehr von dem Text lösen. Ich denke, der Autor hat besonders in diesen Kapiteln die Gefühle der einzelnen Personen sehr gut beschrieben.«

Anders sieht dies eine Schülerin, in einer direkten Anrede an die Romanfigur Quintus:

»Weißt du, der Schriftsteller, der deine Geschichte nacherzählt, schreibt nämlich wenig über deine Gefühle.«

Wiederum positiv ein weiterer Schüler:

»[...] abwechslungsreich, interessant, witzig. Am meisten fasziniert hat mich, dass das Lesen richtig Spaß gemacht hat und man trotzdem unendlich viel von den Lebensbedingungen in Rom und den Römern erfahren hat.«


Weitere Meinungen

Erdmann Steinmetz, ekz-Informationsdienst 46/87:

»Der durch eine Reihe Sachbücher zum Thema ›Rom‹ bekannte Autor bringt in die mit Worterklärungen und Karten ausgestattete Geschichte viele Details aus dem Alltagsleben ein, und so ist neben der Spannung auch für (unaufdringliche) Belehrung für Leser ab 12 Jahren gesorgt.«

Monika Rox-Helmer: »Spannung und Rätsel zur Römischen Republik«. In: Geschichte lernen 30 (2007), Heft 117, S. 58–61 (zu Stöver S. 59–60, Zitat S. 59):

»Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe eignet sich besonders die Quintus-Trilogie von Hans-Dieter [sic] Stöver, um einen Einblick in die Zeit von Caesar zu bekommen. Diese Trilogie ist ein echter Klassiker der Jugendliteratur.«

Inhalt

Der 14jährige Quintus Cossinius Afer hat seinen Vater nach Caere begleitet und kehrt mit ihm wieder auf den Bauernhof der Familie zurück. Irgend etwas stimmt nicht, vermutet Quintus; vom einzigen verbliebenen Sklaven Kirkos erfährt er, daß die Familie stark verschuldet ist. Als der Händler Silvanus kommt, erzählen Quintus' Vater und Großvater ihm und Quintus, daß sie den Hof verkaufen mußten; sie wollen jetzt mit der ganzen Familie nach Rom ziehen.

Quintus ist bei der Ankunft in der großen Stadt ganz überwältigt von den neuen Eindrücken. Silvanus hat für die Familie eine Wohnung besorgt. Nach der ersten Nacht dort zieht Quintus mit seiner Mutter los, um für die kranke Schwester Herennia Milch zu kaufen. Sie kommen dabei durch verschiedene Gegenden Roms, so die Stände der Buchhändler am Argiletum und das Forum Romanum.

Als Quintus Sandalen zur Reparatur bringen soll, trifft er den gleichaltrigen Tiberius, der ihn zu einem Schuster bringt und ein günstiges Angebot für ihn aushandelt. Die Stimmung in der Familie ist trotzdem recht gedrückt, weil Herennia nach wie vor krank und die Miete für die Wohnung sehr hoch ist.

Auf Vermittlung von Tiberius wird Quintus in eine Gruppe von Jungen unter Führung des Aulus Plautius Hypsaeus aufgenommen und besteht einen Kampf mit Anhängern der weißen Renn-Factio. Von seinem jetzt auch in Rom angekommenen Großvater erfährt Quintus einiges über Cicero und die römische Politik.

Quintus' Vater findet vorerst nur Arbeit als Walker. Mit Aulus Plautius besucht Quintus einen Jungen aus der Bande, Titus Fundanus, der wohl von den »Weißen« zusammengeschlagen wurde. Am nächsten Tag beginnt Quintus seine Arbeit als Schreiber bei dem Buchhändler Pollius Valerianus, der sofort recht zufrieden mit ihm ist. Danach trifft er sich mit Aulus Plautius; die beiden finden heraus, daß Fundanus von organisierten Bettlern des Esquilin, zugleich Anhängern der »Weißen«, zusammengeschlagen wurde, weil er in ihr Revier eingedrungen war.

Am nächsten Tag erregt Quintus den Ärger seiner Schreiberkollegen, weil er schneller schreibt als sie. Sein Großvater erzählt ihm die Geschichte des tigillum sororium, die der Anlaß des morgigen Festtages war. An diesem Tag besucht Quintus mit Aulus und Tiberius den Circus Maximus. Sie müssen vor den »weißen« Bettlern fliehen. Später beobachten die drei Jungen, wie die Bettler sich bei einem Lagerhaus, in dem sich zahlreiche scheinbar nicht zusammengehörige Gegenstände befinden, mit einem Unbekannten treffen. Später kehren Aulus und Quintus noch einmal zum Lagerhaus zurück und beobachten, wie Getreide und Tesserae für die kostenlose Kornverteilung in ein Haus jenseits des Tiber gebracht werden.

Quintus findet heraus, daß Antias, der Vorleser bei Pollius Valerianus, mit dem geheimnisvollen Fremden aus dem Lagerhaus zu tun hat, der ihn in der Buchhandlung aufsucht. Es geht, wie Quintus und Pollius herausfinden, um gefälschte Verteilungs-Tesserae. Sie bringen zusammen mit dem dazugekommenen Aulus Plautius Antias zum Geständnis: der Unbekannte ist Laertios, ein ehemaliger Kollege aus Antias' Zeit als Aedilen-Schreiber, der ihn erpreßt. Antias berichtet von einem groß angelegten Betrugsversuch mit den gefälschten Tesserae. Man informiert den Aedilen Volcatius Tullus, der sofort Maßnahmen einleitet.

Mit seinen Männern läßt der Aedil das Versteck der Bande ausheben. Laertios bringt dabei Aulus in seine Gewalt und droht, ihn zu töten, wenn man ihm nicht eine Fluchtmöglichkeit gebe. Quintus kann ihn durch einen geschickten Schuß mit dem Bogen außer Gefecht setzen.

Zu Hause muß Quintus seiner Familie die ganze Geschichte schildern. Dabei kommen Boten von Volcatius Tullus, die ein Geldgeschenk überbringen, außerdem die Mutter des Aulus Plautius, die Quintus und seine Mutter für den nächsten Tag einlädt.

Am nächsten Tag sind Quintus und sein Großvater auch bei Volcatius eingeladen. Quintus trifft wieder auf Tiberius, der sich ein wenig zurückgesetzt fühlt, weil ihn die neugefundenen Freunde Quintus und Aulus nicht zu ihrem Abenteuer hinzugezogen haben. Aulus' Mutter bietet Quintus an, ihn neben seiner Arbeit bei Pollius Valerianus zusammen mit Aulus und seiner Schwester Calpurnia in Griechisch unterrichten zu lassen. Außerdem hat sie für Quintus' Vater Arbeit als Gutsverwalter.

Anmerkungen

1. Vgl. Hans Kloft, »Das Problem der Getreideversorgung in den antiken Städten : das Beispiel Oxyrhynchos«, in: Sozialmaßnahmen und Fürsorge : zur Eigenart antiker Sozialpolitik (Graz-Horn, 1988), S. 144-145. Jüngst hat allerdings Catherine Virlouvet, Tessera frumentaria (Rome, 1995), S. 324-327, eine frühere Einführung nicht ausgeschlossen. [zurück]

2. Ingrid Kaiser, Friedlinde Mann, »Auf Schatzsuche : Lesetagebücher«, in: Pädagogik 53 (2001). Heft 6, S. 10-13 (Zitate S. 12-13). [zurück]

Vor 1999: Erste Veröffentlichung.
Juli 2001: Zusatz zum Einsatz im Unterricht
17. Juni 2007: Abschnitt »Weitere Meinungen« ergänzt, Reihenfolge umgestellt.