Malachy Hyde

Tod und Spiele

München : Diederichs, 1999.

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Inhalt

1. An der jährlichen Festprozession von Milet ins Heiligtum von Didyma nimmt als Ehrengast auch der neue Herrscher des Ostens, der römische Triumvir Marcus Antonius, teil. Die Prozession stößt auf die Leiche des Priesters Antigonos, und Antonius beauftragt seinen vor kurzem aus Rom gekommenen Begleiter Silvanus Rhodius mit der Aufklärung des Mordes.

Laelia, die Tochter des Wirtes Bibulus in Didyma, und ihre Freundin Illicia sind über die Nachricht vom Tod des Antigonos, der um Illicias Hand geworben hat, erschüttert. Silvanus kommt mit dem Arzt Hani Rami in die Taverna Bibuli.

2. Er befragt am nächsten Morgen Illicia, die den Toten als eine der letzten gesehen hat, und geht mir ihr zu den Festspielen, wo sie Laelia treffen. Nachdem Antigonos, der Favorit für den Fünfkampf, ausgefallen ist, kann der Delphier Antiphon den Wettkampf gewinnen. Nach dem Spiel geht der Römer mit den beiden jungen Frauen in die Taverne, wo sich auch Marcus Antonius zu ihnen gesellt. Dieser findet ebenso Gefallen an Illicia wie Silvanus an Laelia, und die beiden Freundinnen erwidern die Gefühle.

3. Am nächsten Tag sehen Illicia und Laelia sich die Leiche des Antigonos an. Silvanus geht zum Tempel, kann aber statt mit dem Propheten Vigolos nur mit dessen Stellvertreter Chares sprechen. Er läßt sich von diesem zu Antigonos’ Wohnung führen, findet aber keine Spuren, die ihn weiterbringen. Laelia trifft sich mit Silvanus und erzählt von ihren und Illicias Familienverhältnissen. Sie hat Antigonos vor seinem Tod mit einer unbekannten Frau gesehen. Gegenüber Artemispriesterinnen hat Antigonos Andeutungen gemacht, die auf Bestechung beim Rennen deuten. Illicia horcht in der Taverne Antiphon aus, der verrät, daß Antigonos Geld fürs Verlieren bekommen sollte. Silvanus spricht mit den Artemispriesterinnen, dem Wirt der delphischen Mannschaft und Tollimos, Illicias Vater, einem ehemaligen Apollonpriester, der gezwungen ist, seine Kunstwerke nach und nach zu verkaufen. Als der Römer erfährt, daß die beiden Frauen auf eigene Faust ermittelt haben, ist er ärgerlich, läßt Antiphon aber festnehmen. Er gesteht Laelia, daß er verheiratet ist, bevor er zu dem inzwischen abgereisten Antonius fährt.

4. Den Freundinnen kommen Zweifel, daß Antiphon wirklich der Mörder ist. Sie wollen deswegen das Orakel befragen, wohin Laelia ohnehin mit einem parthischen Gesandten unterwegs ist. Die beiden finden heraus, daß Antiphon in der Mordnacht mit Laelias Schwester Ofillia zusammen war, also unschuldig sein muß. Silvanus schreibt aus Priene einen Brief an Laelia. Illicia besucht Antiphon, der im Bordell des Crassus gefangen gehalten wird, während Laelia bei Hani Rami für sich und ihre Freundin Verhütungsmittel besorgt. Laelia hat einige Mühe, Avancen des parthischen Gesandten zurückzuweisen, der sie offenbar aushorchen will. Sie schlägt Illicia vor, zu Silvanus nach Priene zu fahren, um ihn über die neuen Entwicklungen zu informieren.

5. Die beiden Frauen reisen nach Priene und finden Silvanus, der Antonius schon über die Festnahme des vermeintlichen Mörders informiert hat. Sie werden von den Römern zu einer Theateraufführung mit anschließendem Gastmahl eingeladen. Wie insgeheim erträumt, verbringt Illicia die Nacht mit dem Triumvirn, Laelia mit Silvanus. Am nächsten Tag reisen sie nach Didyma zurück; Silvanus will nachkommen, um seine Ermittlungen fortzusetzen.

6. Dort ist die mit dem gallischen Flötenspieler Rubingetorix unglücklich verheiratete Ofillia verschwunden. Das Orakel, das die Parther auf ihre geheimnisvolle Anfrage, ob ihre Unternehmung gelingen möge, erhalten haben, ist nicht eindeutig. Illicia und Laelia überlegen, wir Ofillia in die Angelegenheit verwickelt sein könnte. Silvanus trifft spät in der Nacht ein, nachdem er in Priene ohne Ergebnis eine der didymäischen Artemispriesterinnen befragt hat.

7. Laelia und Illicia sind etwas verstimmt, als Silvanus auch sie über ihren Aufenthalt in der Mordnacht befragt, zumal der Römer einen Brief seiner Frau bekommen hat, in dem sie ankündigt, nach Kleinasien kommen zu wollen. Silvanus befragt auch Laelias Sklaven Monoculos, der neben manch anderem erzählt, daß Tollimos seine Sklavin Flusia mißhandelt. Die ehemalige Wirtin des Antigonos meldet, daß die Eltern des Toten gekommen sind, und Silvanus spricht mit ihnen und erfährt, daß ihr Sohn sich ziemlich verändert hatte, seit er Priester geworden war. Der Oberpriester Vigolos habe bereitwillig angeboten, die Begräbniskosten zu übernehmen. Silvanus sucht ihn deshalb auf, erfährt trotz der überraschenden Leutseligkeit des bisher eher zurückhaltenden Propheten aber nichts Neues. So geht der Ermittler zu Crassus, um noch einmal mit Antiphon zu sprechen. Der Athlet leidet sehr unter seiner Gefangenschaft und fällt den Römer überraschend an, doch Silvanus kann sich wehren. Crassus gesteht, daß er Tollimos erpreßt, der seine Kunstwerke als Bestechung für günstige Orakelsprüche erhalten hat. Deswegen mußte er den Dienst als Priester aufgeben und verkauft seine Sammlung jetzt Stück für Stück an den Bordellwirt, der ihm dafür seine Mädchen zur Verfügung stellt, solange er sie nicht zu sehr mißhandelt. Auch Antigonos, Vigolos und Chares waren bzw. sind Kunden des Crassus.

Silvanus sucht Tollimos auf, der den Betrug und die Mißhandlung Flusias zugibt, aber bestreitet, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Flusia war die Frau, mit der Antigonos kurz vor seinem Tod gesehen wurde. Laelia macht unterdessen den Parther Mithriventes betrunken und entlockt ihm die Ankündigung eines bevorstehenden Angriffs auf die Römer. Silvanus ist erneut verärgert, als er erfährt, daß die Frauen auf eigene Faust ermittelt haben, will aber Antonius warnen. Er verspricht Laelia, seine Frau zu verlassen.

8. Silvanus nimmt am nächsten Tag an der Bestattung des Antigonos teil. Rubingetorix findet im Fluß eine Leiche. Silvanus und Hani Rani bergen sie. Es ist offenbar ein unbekannter Sklave, der seit einigen Tagen tot ist – vergiftet. Auf Befehl des Antonius soll Silvanus mit den beiden Freundinnen nach Ephesos reisen.

9. Die drei fahren mit einem Schiff nach Ephesos, wo sie am feierlichen Einzug des Antonius in die Stadt teilnehmen (der Römer erlegt den Einwohnern in einer Rede im Theater einen erhöhten Tribut auf) und an einem anschließenden Gastmahl im Haus des Euyonimos. Die Frauen sind überrascht, dort auch auf Vigolos zu treffen, dem Antonius eine Prüfung der Tempelfinanzen ankündigt. Illicia ist enttäuscht, weil Marcus Antonius lange keine Zeit findet, sich um sie zu kümmern.

10. Silvanus und die Frauen reisen wieder aus Ephesos ab, Illicia in sehr trübsinnigem Zustand nach einer letzten Begegnung mit Marcus Antonius. In Didyma erfährt Silvanus von Hani Rami, daß der tote Sklave mit Bilsenkraut vergiftet wurde. Crassus kann ihn identifizieren: er hat ihn vor kurzem an Chares verkauft, der eigens einen kräftigen Sklaven haben wollte. Silvanus gelingt es trotz Ablenkung durch Laelia, eine Nachricht an Marcus Antonius zu schicken. Er denkt über eine mögliche Zukunft mit der jungen Frau nach.

11. Ofillia war, wie sich herausstellt, nur verschwunden, um ein Kind abtreiben zu lassen. Als Silvanus gerade zu Chares gehen will, erscheint Marcus Antonius, der zunächst mit Illicia sprechen will. Chares, nach dem Verschwinden seines Sklaven befragt, behauptet zunächst, dieser sei geflohen, aber nachdem ihm Silvanus mit einer grausamen Hinrichtung droht und zudem der von Illicias Zurückweisung erzürnte Antonius erscheint, gesteht er die Wahrheit: Antigonos war dahintergekommen, daß die Priester Orakelsprüche für die Parther manipulierten. Als er dies Vigolos erzählte, forderte der Prophetes seinen Stellvertreter auf, den jungen Priester zum Schweigen zu bringen. Chares ließ sich von Crassus einen geeigneten Sklaven besorgen, der nach der Tat allerdings die Leiche nicht auftragsgemäß verschwinden ließ. Durch den nicht geplanten Bestechungsversuch der Delphier gab es allerdings passenderweise einen Mordverdächtigen, und Chares beseitigte den Sklaven als Mitwisser durch Gift. Antonius kündigt an, Chares am Kreuz hinzurichten.

In der Taverna Bibuli kann man sich über die Aufklärung des Mordes nicht recht freuen, bis der gut gelaunte Antonius erscheint, der Silvanus auf dessen Bitte zum Vertreter des neuen Statthalters machen will, damit er in Laelias Nähe bleiben kann. Außerdem läßt er Illicia ein kostbares Geschenk machen.

Bewertung

Der erste Roman der beiden unter Pseudonym schreibenden deutschen Autorinnen Karola Hagemann und Ilka Stitz zeigt noch einige Unebenheiten. Das Handlungstempo schwankt sehr stark; vor allem die beiden Ausflüge nach Priene und Ephesos sind eher retardierende Momente, da sie für die Aufklärung der Morde eine vollständige Unterbrechung darstellen und nur die Nebenhandlung um die beiden Liebespaare voranbringen. Oder ist dieser Handlungsstrang vielleicht sogar der entscheidende? Eine Entscheidung darüber bleibt wohl dem einzelnen Leser oder Leserin überlassen. Zumindest diesen Rezensenten konnte die Geschichte um die amour fou des römischen Herrschers mit der jungen Griechin und die etwas erfolgversprechendere Beziehung seines Untergebenen nicht so recht fesseln, zumal sie über weite Strecken eher banal und ohne Überraschungen verläuft.

Auch bei den politischen Verwicklungen scheint das provinzielle Didyma in einer ganz anderen, idyllischeren Welt zu liegen als etwa das Rom, in dem sich ungefähr zur gleichen Zeit Steven Saylors Gordianus bewegt. Hier sind sogar die parthischen Gesandten so naiv, daß sie sich von einer jungen Frau austricksen lassen, von den unfähigen Apollonpriestern ganz zu schweigen – Chares hätte seinen Auftragsmörder zumindest nicht beim einzigen örtlichen Sklavenhändler kaufen sollen! Damit sind wir allerdings schon in der Krimihandlung, die etwas mehr fesseln kann, wenn sie vielleicht auch zeitweise ein wenig langatmig voranschreitet. Silvanus ermittelt sehr gemächlich und verschiebt viele Befragungen auf den nächsten Tag, obwohl er Entfernungen in geradezu moderner Geschwindigkeit zurücklegen kann (siehe unten).

Die grundsätzliche historische Atmosphäre ist ganz gut getroffen, so wenn Antonius abwechselnd leutselig und skrupellos (die Tributforderung bei den Ephesiern!) ist. Hier wird ein wenig von der Unsicherheit der Bürgerkriegszeit deutlich, bei denen man in einer Provinz wie Asia nur abwarten konnte, wer sich schließlich durchsetzte, aber hoffte, daß der jeweilige Herrscher es mit den üblich gewordenen zusätzlichen Steuereintreibungen nicht übertrieb und sich vielleicht am Ende als Sieger sogar großzügig zeigte.

Einen ganz persönlichen Bonuspunkt möchte ich den beiden Autorinnen dafür geben, daß sie den griechischen Osten des römischen Reiches als Schauplatz für einen historischen Roman gewählt haben. Das dort zur Verfügung stehende Quellenmaterial ist um ein Vielfaches reicher als für die meisten Regionen im Westen, doch scheinen viele, die sich nicht näher damit beschäftigt haben, von einem strikten Gegensatz zwischen Römern und Griechen auszugehen. In diesem Roman dagegen finden wir Ansätze für eine griechisch-römische Mischbevölkerung (vergleiche die Familien der beiden Heldinnen), wie es sie vor allem in der Kaiserzeit tatsächlich gegeben hat.

Allerdings merkt man deutlich, daß Stitz und Hagemann nicht alle verfügbaren Quellengattungen ausgewertet haben. Während sie die archäologischen Überreste Didymas, von denen sie bei einem Aufenthalt eingestandenermaßen beeindruckt waren, in den Roman gut integriert haben, sind die zahlreichen Inschriften aus Milet und seinem Heiligtum offenbar nicht herangezogen worden. Das ist schade, denn gerade kaiserzeitliche Inschriften gewähren uns – die notwendige Sorgfalt bei der Interpretation vorausgesetzt – einen detaillierten Einblick in die lokalen Verhältnisse. Das überreiche Material aus der Provinzhauptstadt Ephesos, dem Schauplatz des zweiten Romans von «Malachy Hyde», enthält allein genug Stoff für eine ganze Krimiserie.

Die mangelnde Vertrautheit mit den antiken Quellen[[1]] zeigt sich z. B. in der Namengebung, die besonders bei den Römern teilweise zweifelhaft erscheint (S. 97: ein Freigelassener übernahm nicht das Cognomen, sondern das Nomen seines Patrons), aber auch bei griechischen Namen («Euyonimos» sieht aus wie ein verballhorntes *Euonymos ‹guter Name›). Die Verwendung von historischen Namen oder Gestalten hätte die Atmosphäre noch etwas authentischer gestalten können. So hatten unmittelbar nach den geschilderten Ereignissen in den Jahren 40/39 und 39/38 zwei offenbar sehr einflußreiche Brüder das Amt des milesischen Stephanephoren inne, C. Iulius Epicrates und sein Bruder Apollonios, die für eine gute Beziehung Milets zum späteren Sieger über Marcus Antonius sorgten.[[2]]

Auf ein paar kleinere Ungenauigkeiten sei noch hingewiesen:

In der Antike gab es keine Roll-on-roll-off-Fähren, mit denen sich ein Pferdewagen ohne viel Mühe über die mehrere Kilometer breite latmische Bucht hätte setzen lassen (S. 160).[[3]] Die Reisezeiten erscheinen generell etwas zu kurz, vor allem wenn Antonius am Vormittag, offenbar aus Ephesos kommend, erscheint, obwohl ihn Silvanus erst spät am vorigen Tag benachrichtigt hat (S. 334). Uhrzeiten werden im modernen System angegeben.

Seltsam ist, daß Illicia und Laelia über den Statuenschmuck von Priene erstaunt sein sollen (S. 163), gab es vergleichbares doch auch in Milet und Didyma. Die Bezeichnung «Staatsagora» für einen Platz in Ephesos (S. 295) ist nicht antik; die österreichischen Ausgräber verwenden den modernen Namen «Staatsmarkt».

«Pulsum» ist nicht der Name eines sauren, von Soldaten eingenommenen Getränks (S. 36); dies hieß vielmehr posca, während puls ein Getreidebrei war.[[4]]

Es bleibt aber auch hier ein durchaus positiver Gesamteindruck, zumal wenn man nicht mit den Augen des Althistorikers an das Buch herangeht. Die teilweise geschickt durchgeführte Konstellation der sich ergänzenden ‹offiziellen› und ‹inoffiziellen› Ermittlungen, die sympathischen Personen und der einzigartige Schauplatz machen den Roman zu einer kurzweiligen Lektüre, und es steht zu erwarten, daß die Autorinnen in den folgenden Bänden, von denen einer bereits erschienen ist, die vorhandenen Unebenheiten glätten können.

Weitere Meinungen

Vgl. die Website der Autorinnen, u. a. mit Auszügen aus Rezensionen, ferner ein Interview und Leserrezensionen bei Amazon.de.

Anmerkungen

1. Die man den Autorinnen nur begrenzt vorwerfen wird, auch wenn sie u. a. Geschichte bzw. Archäologie studiert haben. Eine Mitschuld an der zunehmenden Esoterik ihres Faches tragen auch Althistoriker und Epigraphiker, die meist auf Übersetzungen der lateinischen und griechischen Quellenpassagen verzichten. (zurück)

2. Vgl. Peter Herrmann, «Milet unter Augustus : Erkenntnisse aus einem Inschriften-Neufund», in: Energeia : studies on ancient history and epigraphy presented to H. W. Pleket, ed. by J. H. M. Strubbe … (Amsterdam, 1996), S. 1–18. (zurück)

3. Ein eventuell zum Verschiffen von Fahrzeugen über kurze Entfernungen geeigneter, prahmartiger Bootstyp ponto ist für Flüsse im Nordwesten des römischen Reiches belegt; vgl. Olaf Höckmann, Antike Seefahrt (München, 1985), S. 139–140. (zurück)

4. Die gleiche Verwechslung findet sich schon bei John Maddox Roberts, Saturnalia, das den deutschen Autorinnen bekannt gewesen sein könnte. (zurück)