Hermann Stresau

Adler über Gallien

Frankfurt : Societäts-Verlag, 1943. Ebd. 1950, 1954 u. ö.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Ein Kriegsroman, der Anfang der 40er Jahre in Deutschland erschienen ist – das läßt eine unkritische Verherrlichung von Führer- und Soldatentum befürchten. Doch Stresau war alles andere als ein Nationalsozialist (siehe die biographische Skizze im Anhang), und sein Roman ist vielmehr ein Zeugnis der inneren Emigration.[[1]] Wenn der Krieg mitunter ambivalent geschildert wird und insbesondere der junge Lucius an den Kämpfen Gefallen findet, durch die er heranreift (ohne daß es sich um einen eigentlichen Entwicklungsroman handelt), so haben wir wohl einen Reflex des persönlichen Erlebens des Autors im Ersten Weltkrieg, aber auch aus heutiger Sicht nachvollziehbarer als etwa die Kriegsverklärungen eines Ernst Jünger. Geradezu gespenstisch wirkt die Atmosphäre im römischen Lager vor Alesia schon gleich zu Beginn des Romans, wenn man das Erscheinungsjahr berücksichtigt: als das Werk erschien, standen deutsche Soldaten vor Stalingrad. Der Stellungskampf vor Avaricum, Gergovia und Alesia ist aber vor allem geprägt von den Schützengräben des Ersten Weltkriegs.

Zum großen Teil (mit Ausnahme des gesamten Kapitels „Die Haeduer“) werden die Geschehnisse aus der Perspektive des jungen Lucius Messala (sic) geschildert. (Sein als Consular bezeichneter Vater soll offenbar M. Valerius Messalla ‚Niger‘, der Consul von 61 v. Chr., sein; dessen Sohn war aber der bekannte M. Valerius Messalla Corvinus; wir müssen Lucius wohl eher als fiktive Gestalt betrachten.)

Die subjektive Perspektive fällt schon im ersten Kapitel „Der Berg“ auf, wo Lucius selbst gar nicht merkt, wie seine Verwundung ihn immer mehr phantasieren läßt.

Das zweite Kapitel, „Rom“, gibt einen historischen Überblick der Zustände in der späten Republik, ausgehend vom Menetekel der bei Clodius’ Beisetzung in Flammen aufgehenden Curia (dieses Symbol findet sich auch bei Steven Saylors Murder on the Appian Way, dort allerdings zum Ausgangspunkt einer dialogischen Schilderung genommen). Die Ausführungen wirken aber keineswegs aufdringlich belehrend; dies gilt auch für die weiteren Abschnitte, die verstreut historische Informationen bieten.

Caesar tritt uns erwartungsgemäß im wesentlichen als faszinierende Gestalt entgegen, hier aber sehr subjektiv durch die Augen des jungen Lucius, für den der Proconsul erst nur eine geradezu furchteinflößende Gestalt ist; allmählich lernt er auch seine menschliche Seite kennen, zugleich aber auch seine faszinierende Persönlichkeit (beispielhaft beim Marsch durch die Cevennen und dem Eilritt zu den Legionen). Das Caesarbild bleibt damit relativ konventionell, aber eben auch frei von den nationalsozialistischen Tönen, wie sie sich in Mirko Jelusichs wenige Jahre älterem Caesar-Roman finden.

Etwas fraglich erscheint, ob Caesar einen ihm unbekannten jungen Mann so schnell in seine persönliche Umgebung aufgenommen hätte, aber die Zugehörigkeit zu einem der vornehmsten Geschlechter der Nobilität hätte einen Messalla auf jeden Fall empfohlen.

Die Ereignisse werden getreu nach Caesars Darstellung in De bello Gallico geschildert, wobei natürlich einige Ereignisse detaillierter ausgestaltet werden. Faktische Fehler fallen dabei praktisch nicht auf. Es gibt einige anachronistische Ausdrücke: „Oberst“ (25/26, gleich neben „Centurio“; anderswo aber „Tribun“), „Junker“ (passim), „Staatspräsident“ (166, neben „Vergobret“). Die geographischen Namen werden überwiegend in der modernen Form gegeben, was die Orientierung erleichtert, auch wenn die gebundene Ausgabe eine Karte Galliens auf dem Vorsatz hat (sie enthält auch zwei Kartenskizzen der Belagerungen von Gergovia und Alesia, die in der Taschenbuchausgabe fortgelassen sind).

Eine anachronistische Anspielung findet sich in Lucius’ Reflexionen über das Schicksal Roms, nämlich der Gedanke, „daß ein Centurio mit einer Handvoll stahlblitzender Legionäre genügte, um diesen Schaum [den Senat] in alle Winde zu verflüchtigen“ (41/42). Ähnliches hatte in Stresaus Jugend der erzkonservative Elard von Oldenburg-Januschau in Hinblick auf den deutschen Reichstag geäußert (bei ihm waren es „ein Leutnant und zehn Mann“, die ausreichen sollten, um das ungeliebte Parlament aufzulösen).

Fazit: einer der wenigen nicht für Jugendliche bestimmten Romane, die Caesars gallischen Krieg schildern, beachtlich auch gerade angesichts der Entstehungszeit.

Zum Autor

Hermann Stresau wurde am 19.01.1894 in Milwaukee geboren, meldete sich bei Beginn des 1. Weltkriegs aber in Deutschland als Freiwilliger. Nach dem Krieg studierte er in Berlin, München, Greifswald und Göttingen (ohne Abschluß) und war seit 1929 als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ in der Volksbücherei Spandau tätig. Dort wurde er im April 1933 entlassen, weil er sich kritisch über den Nationalsozialismus geäußert hatte. Ein Jahr lang war Stresau noch als Dozent an der Berliner Bibliothekarschule tätig, bis er auch dort entlassen wurde und fortan als freier Schriftsteller lebte. 1938 (nach anderen Angaben 1940) zog er nach Göttingen, wo er bis zu seinem Tode am 24.08.1964 lebte. Er war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Ehrenpräsident des Schriftstellerverbandes Niedersachsen.

Stresau verfaßte mehrere Romane, außer dem hier besprochenen z. B. Die Erben des Schwertes : Nibelungenroman (Frankfurt/Main: Societäts-Verl., 1940). Sein Leben während des 3. Reichs schilderte er in den Erinnerungsbüchern An der Werkbank (Berlin : Minerva-Verl., 1947) und Von Jahr zu Jahr (ebd. 1948). Er verfaßte mehrere Monographien, vor allem über englischsprachige Schriftsteller (Joseph Conrad, Ernest Hemingway, G. B. Shaw, Thornton Wilder), die er auch übersetzte, aber auch über deutsche Autoren (Heinrich Böll, Thomas Mann, Christian Grabbe und andere).

Literatur

Gernot Kunze. Hermann Stresau und Max Wieser : 2 Beispiele bibliothekarischen Zeitgeistes während der Nazidiktatur. - Seelze : Zoller, 1990. - 54 S. : Ill. - (Kleine historische Reihe der Zeitschrift Laurentius ; 1)

Inhalt

Der Berg

Beim Kampf um die Bergfestung Alesia, in der Vercingetorix von Caesar belagert wird, ist der junge römische Offizier Lucius Valerius Messala verwundet worden. Am Morgen nach der Schlacht gegen ein gallisches Entsatzheer will er seine Wunde behandeln lassen und erinnert sich, allmählich in Fieberträume abgleitend, an seine Erlebnisse in den letzten Monaten, den harten Dienst für Caesar, die Kämpfe bei Avaricum und Gergovia. Schließlich findet er den Primipilus Collinus, der seine Beinwunde behandelt und ihn zur Erholung in sein Zelt bringt.

Rom

Rückblende: Lucius führt in Rom ein zunehmend unbefriedigendes Leben. Sein zeitweiliges Verhältnis mit der Frau eines reichen Kaufmanns aus Ostia ist vorbei. Er sieht, wie der im Straßenkampf erschlagene Clodius von der Volksmasse auf das Forum geschleppt und dort mit der Curia verbrannt wird, und sinnt über den erbärmlichen Zustand der römischen Politik nach. Alles läuft auf die beiden übriggebliebenen Machthaber zu, Pompeius und Caesar, der Proconsul in Gallien ist. Als Lucius in der Subura überfallen wird und sich mit dem Dolch zur Wehr setzen muß, faßt er einen Entschluß, den er schon länger bedacht hat, und meldet sich als Freiwilliger bei Caesars Geschäftsträger, der ihn schon am nächsten Morgen zu Caesar nach Ravenna schickt.

Ravenna

Dort muß sich Lucius trotz seiner privilegierten Stellung als Freiwilliger erst an das Leben im Militär gewöhnen. Von Caesar ist er zunehmend beeindruckt. Während die Lage in Rom sich durch das Eingreifen des Pompeius geändert hat, ist in Gallien unerwartet eine Rebellion aufgeflammt. Caesar erläutert seinen Offizieren die Lage und bricht mit wenigen Begleitern, darunter auch Lucius, nach Gallien auf.

Die Cevennen

Caesar erreicht mit seinen Begleitern Narbo und schickt Lucius sogleich weiter nach Carcaso, um den dortigen Kommandeur mit seinen Cohorten dem Feind entgegenrücken zu lassen. Lucius hat in der Dunkelheit Angst, sich zu verirren, erreicht schließlich aber Carcaso und überbringt dem Tribun Caepio Caesars Befehle. Er kehrt nach Narbo zurück, wo Caesar im wesentlichen mit seiner Erledigung des Auftrags zufrieden ist; nur findet er heraus, daß Lucius das Antwortschreiben Caepios in die Hand von dessen gallischer Geliebten hat gelangen lassen.

Caesar marschiert mit den geringen Truppen, die er bei sich hat, durch die verschneiten Cevennen, um die Aufständischen in ihrem eigenen Gebiet zu überraschen. Er treibt die Soldaten unter schwierigsten Bedingungen vorwärts und erreicht die Kammhöhe.

Durchbruch

Lucius’ thessalischer Sklave ist in einem Helvierdorf zurückgeblieben und läßt es sich gutgehen, bis auf einmal sein Herr erscheint. Lucius ist mit Caesar von jenseits der Cevennen zurückgekehrt, angeblich, um Unterstützung für die dort unter Decimus Brutus verbliebenen Truppen zu holen. In Wirklichkeit will Caesar aber nach Norden, wo seine Legionen unter Labienus noch in den Winterquartieren stehen. Mit dem Wagen reisen er und Lucius zunächst nach Vienna, wo sie eine Zeitlang ausruhen und Caesar dem jungen Freiwilligen über die Zustände in Gallien und den früheren Sieg über die Sueben Ariovists erzählt. In der Nacht brechen sie dann mit wenigen Begleitern zu ihrem heimlichen Ritt durch das Land der Haeduer auf, deren Treue zu Rom zweifelhaft ist. Sie durchqueren die Rhone und eilen weiter, immer wieder angetrieben von Caesars „Vorwärts!“. Nach zwei Tagen erreicht die völlig erschöpfte Schar das Legionslager, wo Caesar von seinen Truppen mit Jubel empfangen wird.

Avarikum

Vercingetorix versucht, den Kampf gegen die Römer zu organisieren. Er läßt zu, daß die Biturigen ihre befestigte Stadt Avaricum nicht vor dem herannahenden Feind räumen, sondern verteidigen wollen. Caesar läßt einen Belagerungsdamm errichten, der von den Verteidigern immer wieder angegriffen wird. Einmal gelingt es ihnen sogar, den Damm in Brand zu setzen. Lucius steht dabei im Kampf und wird, als ihn ein Steinwurf trifft, vom Primuspilus der 10. Legion, Collinus, gerettet. Caesar setzt Pfeilgeschütze gegen die Verteidiger ein, und schließlich dringen die Römer in die Stadt ein, wo sie ein ungeheures Blutbad unter den Bewohnern anrichten, das Lucius mit ansehen muß.

Die Brücke

Lucius rechnet mit einem weiteren Freiwilligen, Titus Postumus, die Soldzahlungen für die Legionen ab, während Caesar versucht, durch Einsetzung eines neuen Vergobreten die Loyalität der Haeduer zu sichern. Von Postumus, der schon länger bei Caesar ist, erfährt Lucius einiges über die früheren Kämpfe, vor allem gegen den Eburonen Ambiorix. Die beiden machen mit Decimus Brutus einen Kundschafterritt. Die Gallier zerstören die Brücken über den Elaver, an dessen anderen Ufer sie auf das römische Heer warten. Caesar täuscht den Abmarsch seines ganzen Heeres vor, während er mit zwei Legionen versteckt wartet, bis die Gallier abgezogen sind, und dann auf einer Behelfsbrücke über den Fluß setzt. Vercingetorix zieht sich in seine Festung Gergovia zurück.

Gergovia

Vor Gergovia haben die Römer ein Hauptlager errichtet, ferner einen vorgeschobenen Posten auf einer „Kahler Mann“ genannten Kuppe. Caesar ist mit der Hauptmacht wieder abgezogen, um einen drohenden Abfall der Haeduer im Keim zu ersticken. Lucius benachrichtigt als Meldegänger den Kommandanten des Kahlen Mannes, Sextius, um ihn auf die Verteidigung gegen eine vielfache Übermacht der Gallier vorzubereiten. Er pendelt weiter zwischen dem Vorposten und dem Hauptlager, wo Fabius Kommandant ist. Wie erwartet, greift der Feind an und wird in hartem Kampf zurückgeschlagen, an dem auch Lucius teilnimmt. In der Nacht treffen die Römer Vorbereitungen für die Abwehr des nächsten Angriffs.

Der rote Wolf

Doch nach kurzem hartem Kampf ziehen sich die Gallier überraschend zurück. Lucius errät den Grund: Caesar ist schon wieder im Anmarsch; bei den Galliern hat sich das Erscheinen des „Roten Wolfs“, wie sie ihn nennen, schnell herumgesprochen. Er hat ein haeduisches Kontingent mitgebracht, dessen Treue allerdings nach wie vor zweifelhaft ist. Lucius ist betrübt, weil ein anderer Freiwilliger, den Fabius wegen Feigheit getadelt hatte, sich das Leben genommen hat.

Auch bei den Anführern der Gallier gibt es Spannungen, weil nicht alle mit Vercingetorix’ überwiegend abwartender Taktik einverstanden sind. Seltsame Truppenbewegungen der Römer wiegen die Gallier eine Zeitlang in Sicherheit, bis sie plötzlich von römischen Truppen überfallen werden, die sich herangeschlichen haben. Aber das Kampfglück wendet sich wieder, als Vercingetorix seine Reserven heranführt. Nur mit Mühe kann Messala den Gergovia bestürmenden Legionären den Befehl Caesars überbringen, sich sofort zurückzuziehen.

Der Brief

Lucius versucht, einen Brief an seinen Vater nach Rom zu schreiben, weiß aber nicht, wie er ihm seine Erlebnisse schildern kann. Nach dem gescheiterten Angriff hat Caesar versucht, die Moral der Legionäre aufrechtzuerhalten, seine Offiziere aber getadelt. Lucius hat die Eindrücke der letzten Tage noch nicht richtig verarbeitet und unterhält sich mit dem dichtenden General Quintus Cicero darüber, daß Caesar nicht nach Süden, sondern nach Norden, zum bedrängten Labienus, abziehen werde, und über die Lage in Rom. Den Centurio Collinus befragt er über dessen militärische Laufbahn, die er unter Lucullus und Pompeius begonnen hat. Wie Lucius befürchtet auch der alte Soldat, daß es zu einem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius kommen wird. Caesar läßt seine Truppen nach Norden abziehen.

Die Haeduer

Vercingetorix plant, den abziehenden Römern den Weg zu verlegen, auch wenn Hitzköpfe wie der Haeduer Lydowich (Litaviccus) zum Angriff raten. Die Haeduer sollen Caesar am Übergang über die Loire hindern. Vercingetorix hat Bedenken, ob er sich auf sie verlassen kann und sieht seine Befürchtungen bestätigt, als der Proconsul tatsächlich über den Fluß setzen kann, ohne von den Haeduern gehindert zu werden. Der Arverner versucht, die Haeduer besser in die Vereinigung der Aufständischen einzubinden. Lydowich ist beschämt über die wankelmütige Haltung seiner Landsleute: er fällt, als die Gallier eine vernichtende Niederlage erleiden beim Versuch, Caesars durch germanische Reiter verstärktes Heer auf dem Marsch anzugreifen.

Alesia

Lucius, der sich nach einigen schweren Tagen allmählich von seiner Verwundung erholt, erinnert sich an die Ereignisse vor Alesia, beginnend bei dem Reitergefecht, wo er als Meldereiter den Befehl Caesars überbringt, die germanische Reserve einzusetzen. Vercingetorix verschanzt sich darauf in der Bergfestung Alesia und wird von Caesar belagert. Lucius erlebt mit, wie Caesar einen Anfall hat, und bemerkt zusammen mit Titus Postumus, daß die gallische Reiterei sich davonstiehlt, um eine Entsatzarmee zu mobilisieren.

Lucius verläßt sein Krankenlager, um den letzten Akt des Geschehens nicht zu versäumen. Collinus gesellt sich zu ihm, und die beiden erinnern sich an die Schlacht gegen das riesige Entsatzheer. Lucius wurde dabei verwundet, Titus Postumus ist gefallen.

Am Morgen läßt Caesar seine Truppen antreten und dekoriert die tapfersten Kämpfer, darunter auch Lucius. Vom Berg erscheint eine gallische Abordnung und liefert Vercingetorix aus.

Anmerkung

Anm. 1. Einschränkend muß bemerkt werden, daß die Ausführungen sich auf Nachkriegsausgaben stützen. Es war bisher nicht möglich, ein Exemplar der Erstausgabe einzusehen. Nach freundlicher Auskunft von Herrn Wolf Hellberg, der mich auch darauf hinweist, daß der Roman in Fortsetzungen in der damaligen Frankfurter Zeitung erschienen ist, scheinen aber keine Änderungen erfolgt zu sein. [zurück]

28. Februar 2010: Tippfehler, Typographie, Reihenfolge umgestellt.